Scherbes Top 5 Vaporwave-Alben
Spätetens seit seinem Ashorecast im Jahr 2014 folge ich Scherbe auf Twitter. Und genau dort haut er seit langer Zeit beinah täglich sein “Album of the day” heraus. Oft Vaporwave oder eine der vielen Abwandlungen davon. Ein Genre, von dem ich genauso fasziniert bin wie ich doch wenig Ahnung habe. Wikipedia bezeichnet Vaporwave als ein “microgenre of electronic music and an Internet meme that emerged in the early 2010s.” Doch da hört’s natürlich noch lange nicht auf – es wird wie wild referenziert, egal ob nostalgisch oder obskur. Und die Download/Musik-Plattform Bandcamp mauserte sich im Laufe der Jahre zu einer Art Vertriebsmekka des Genres. Dort zu finden ist auch Scherbes eigener Vaporwave-Stuff, den er unter dem Alias Puderpolli raushaut, hört rein!
Doch erstmal empfiehlt uns Scherbe hier und jetzt fünf seiner liebsten Vaporwave-Releases. Denn das Genre ist – wie er selbst deutlich macht – noch lange nicht zu Ende erzählt. Doch Scherbe startet erstmal mit einem Album aus dem Jahr 2014:
Nouveau Life™ – New World™ (2014)
Mein Einstieg in die Szene. Durch einen Tip von Ruf Dug auf das Pionier-Label Dream Catalogue aus London aufmerksam geworden und dann erstmal schön hängengeblieben auf Bandcamp, der Plattform, welche pivotal für die Entwicklung des Genres war und ist. Klassischer Vaporwave mit allem was dazugehört: geklaute Videogame-Referenzen auf dem cover, obskure Samplequellen (Wetter-TV aus den 90ern, kitschiger US-80s Funk, Elevator Muzak), die noch einmal verlangsamt werden, auf seltsam-kreative Weise in Audacity geloopt und mit einer bassigen Hallfahne versehen werden, bis man vor lauter Nostalgiegefühlen nicht mehr aus dem Dauersmile herauskommt. Definitiv ein Holy Grail des Vaporwave und auf Cassette (DEM VW Medium) nur noch zu bekommen, wenn man mehr als drei Dollar in der Tasche hat. Das Album ist leider nicht mehr auf Bandcamp runterzuladen, da David Russo von Dream Catalogue in einem mysteriösen Rant Anfang 2016 alle zu samplelastigen Alben von seiner Bandcamp-Seite entfernt hat und sich selbst über kurz oder lang auch aus der Vaporwave-Gemeinde, eine der vielen verstörenden Anekdoten des VW-Universums.
t e l e p a t h テレパシー能力者 – 一緒に別の夜 (2015)
Ja, Telepath, das VW-Wunderkind, der “Aphex Twin” der 10er-Jahre. Legendär (und auch unbezahlbar auf Tape) sind viele seiner Alben zwischen 2013 und 2016, denn so wie dieser amerikanische Produzent und inzwischen angebeteter Mastering Engineer schaffte es kaum jemand, den Vaporwave einem breiteren (lol) Publikum zugänglich zu machen. Als Meister in Sachen Entschleunigung schafft er es, aus ein zwei Loops ganze Epen zu komponieren, deren Länge von zum Teil über vierzig Minuten überhaupt nicht negativ auffällt, im Gegenteil. Unfassbar gut ausproduziert und mit einem ganzen Arsenal an Effekten versehene, meist unbekannte japanische Popsongs im neuen ambientösen Gewand, die gekommen sind, um im Ohr bleiben, 4 ever. Einen Favoriten aus der schlichten Menge an Über-Klassikern rauszusuchen, ist schwer und auch Geschmackssache, ich habe mich für sein Album Another Night Together von Ende 2015 entschieden, dessen zwei Tracks im longform-vapor Format auch dem abgebrühtesten Noise-Nerd eine gewisse Sentimentalität zu entlocken im Stande sind.
Infinity Frequencies – Closer Than Ever (2016)
Einfach gehaltene, fast Kammermusik-ähnlich anmutende, knisternde Loops, die am Hörer vorüberziehen, immer wieder bis die Zeit still zu stehen scheint. Tolles Beispiel des Vaporwave-Subgenres Signalwave, bei dem die musikalischen Mittel auf das Wesentliche reduziert werden, um trotzdem oder gerade deswegen diesen überwältigenden nostalgischen Effekt zu erzielen, den ich an dieser Musik so schätze. Klassiker, bestimmt schon 200 mal gehört und wie auch seine anderen Alben allesamt superber stuff.
MindSpring Memories / Intl. Debris – International Memories (2017)
Auch Angel Marcloid aka MindspringMemories aus Chigaco gehört für mich zur “international Elite” des Genres. Ursprünglich eher aus dem Noise und der MIDI-Muzak kommend, bringt sie ihren völlig eigenen Stil in die Szene und wird in manchen (Social media-) Kreisen schon fast kultartig verehrt. Auf dem Splitalbum mit International Debris gelang ihr mit dem Track “Sad Horizons”, welcher mit über 19 Minuten die komplette Tapeseite einnimmt ein absolut zeitloser Klasiiker des traurig-schönen Slushwave-Subgenres. Pure Gefühle, eingetaucht in phasergeschwängerte Wattestäbchen, Nostalgie bei weitem nicht nur für die Kids of the 80s. Die Flipside auch sehr stark und damit eine strikte Hörempfehlung für alle sadden, mit Millenials auf Twitter abhängenden Keyboard-Junkies.
Desert Sands Feels Warm At Night – 囚人 (2019)
Um die bis heute fortschreitende Entwicklung von Vaporwave zu verdeutlichen (Vaporwave is not dead, hipsters), hier ebenfalls ein Albumtipp aus diesem Frühjahr, erschienen als Erstlingswerk auf dem stets vertrauenswürdigem US-Label Nightlight Tapes. Ein bis dato völlig unbekannter Act veröffentlicht innerhalb von wenigen Monaten ein Kracher-Album nach dem anderen, verzückt auch die größten Skeptiker und Zweifler innerhalb der Szene mit einem frischen Sound und gibt der Vaporwave-Community (zusammen mit dem kongenialen Produzenten-Newcomer From Tokyo To Honolulu aus Osteuropa) neuen Drive, neue Emotions, neuen Slush und natürlich auch neue Cassetten bzw. Minidiscs. Authentischer als dieser Bandcamp-Fan kann auch ich die Gefühle beim Hören dieses Albums nicht beschreiben: “Breathtaking and utterly absorbing. Captivating at the first listen, beautiful and mind-blowing every moment, every second.” Leider bisher kein physical release, schade.
Event-Tipp
Vaporwave-Ausstellung pres. by Scherbe and Stachy.DJ feat. lecture by Carlo Bonanza
26.10.2019 (Samstag) · 14-23 Uhr · “VW Pavillon” pres. by DAVE, Kunstraum EX 14, Dresden
Mehr Infos kommen bald, Augen offen halten und Scherbe bei Twitter folgen.
Digging-Tipp
Der Vaporwave Cassette Club auf Facebook, aber Achtung, macht laut Scherbe süchtig!