Berlin hat eine neue Disco-Reihe – eine, bei der jeder mitmachen kann! Disco Spektrum startet diesen Freitag im Crack Bellmer. Beim Open-Turntable-Abend hat jeder DJ 30 Minuten Zeit, um einen Eindruck von seinem Können zu vermitteln. Klingt vielleicht nach Competition, hat aber eine andere Ausrichtung. Worum es bei Disco Spektrum geht, haben uns die Macher verraten: Nanthara ist Teil des DJ-Teams „First Touch“, und Mitglied der gleichnamigen deutschen Funk-Band. Zaren ist Promoter der Partyreihe Proto Hustle und Resident-DJ für Disco und House im Friedrichshainer Kulturzentrum Nirgendwo. Und Marwin ist Gründer und Promoter von Disco League im Privatclub Kreuzberg sowie ebenfalls selbst DJ.
Worum geht’s bei Disco Spektrum?
Nanthara: Auf den Punkt gebracht ist „Disco Spektrum“ eine Open Turntable-Party für Disco, Boogie und Funk. Aber es ist mehr als eine Party. Es geht genauso ums Networking und ein Family-Thing – es ist ein Musikliebhaber-Wohnzimmer mit Dance-Action.
Marwin: Ziel von „Disco Spektrum“ ist es, eine zuverlässige Disco-, Funk- und Boogie-Szene für Berlin zu schaffen. Das heißt, wir wollen Musikliebhaber, Fans und Freunde zusammenbringen und jeden einbinden, der Lust auf Zusammenarbeit hat, egal ob DJ, Promoter, Sammler oder engagierter Stammgast. Es soll ein starkes Gemeinschaftsgefühl entstehen. Wir finden das geht am besten, indem wir die Booth in gewissem Maße „öffnen“ und musikalischen Spielraum zulassen. Klingt rosig, ist aber ernst gemeint.
Zaren: Langfristig wollen wir eine ultimative Disco-Party aufbauen, die glücklich macht.
In Berlin gibt es ja eigentlich jede Menge Disco-Partys mittlerweile – warum braucht es da ein Disco Spektrum? Oder anders gefragt: Was war euer Anreiz, das Event ins Leben zu rufen?
Marwin: Es ist schön, dass Disco schon länger ein Thema in Berlin ist. Das gefällt uns. Das ist ein richtig gutes Zeichen sogar! Schaut man aber genauer hin, wird schnell klar: Da fehlt die Substanz. Jeder will was tun. Leider machen dabei viele jedoch ihr eigenes Ding, weil sie es nicht besser wissen oder Kontakte fehlen, und beschränken sich damit selbst.
Nanthara: Auf fast jeder Party ist das Publikum entweder zu klein oder nicht primär wegen der Musik und dem Spirit da. Das gilt auch für etablierte Parties. Man kann schon sagen, dass es eine potentielle große Disco-Crowd in der Stadt gibt. Jedoch ist die Szene de facto zerstreut und schlichtweg unterrepräsentiert. Der Geltungsdrang und die Profilierungsangst tun ihr übriges.
Marwin: Ja stimmt, ich habe schön oft Sätze gehört wie „Klassiker kann ja jeder“, „Ist das die Orginalpressung?“, „Warum spielst du nicht mit Platte?“
Zaren: Hinzu kommt, dass es nicht genügend mutige Locations gibt, die sich der Sache annehmen und damit langfristig arbeiten. Wir haben das lange beobachtet und uns nun dazu entschieden zu handeln. Die Szene muss zusammenkommen. Am Ende wollen wir alle einfach mehr Gelegenheiten für gute Gigs haben, Musikliebe zeigen, Musiker und DJs supporten und unsere Fans und Freunde viel häufiger tanzen sehen. Das treibt uns an.
Was ist musikalisch erlaubt?
Marwin: Wie der Name andeutet, decken wir einen Großteil des ganzen Disco-Kosmos ab, inklusive dessen Umfelder. Das gibt der Spirit unserer Party vor. Vom klassischen Disco-Sound über Boogie bis hin zu elektronischen Produktionen ist sehr viel Willkommen. Am besten ich zähle mal die Stil-Fenster konkret auf: 70s Funk, Philadelphia Soul, disco-minded House, Electro-Funk, Post-Disco, Modern Funk, 80s Soul, Safari-Disco, Balearic, Boogie, Italo, Nu-Disco und Disco stehen auf der Liste. Jedes Jahrzehnt findet seinen Platz bei uns – wir blicken in die Vergangenheit, die Gegenwart und freuen uns auf zukünftige Sounds.
Nanthara: Besonders wichtig ist uns dabei die Liebe zur Musik, d.h. wir sehen über den Bekanntheitsgrad von Stücken hinweg und schätzen die Machart. Classics, A-Sides, B-Sides, Obscurities and Rare Stuff sind also gleichberechtigt. Da rümpft niemand die Nase, wenn „wieder“ „Love Sensation“ läuft, noch schaut jemand doof, wenn die Selektoren super spezielle Sounds aus dem Nigeria der 70er Jahre spielen.
Zaren: Wer sich für Qualität entscheidet, liegt immer richtig. Deswegen wollen wir auch jede Form dabei haben: Edits, Originale, Remixes, Songs und Tracks. Zwischen Analog und Digital machen wir erst recht keinen Unterschied.
Marwin: Die letzte große Klammer ist unser Fokus auf afro-amerikanische Spielweisen. Die sind immer unser Ausgangspunkt und Endpunkt. Dazwischen darf gerne experimentiert werden. Dass stereotype Tracks wie „Daddy Cool“ tabu sind, ist ja selbstverständlich, oder?
Wie wird der Abend ablaufen?
Marwin: Es soll so einfach und spontan wie möglich sein. Man kann den Ablauf ungefähr so zusammenfassen: 10 DJs werden hauptsächlich während des Events spontan ausgewählt und liefern jeweils hintereinander ein 30-Minuten-Set für die Crowd.
Zaren: Die Auswahl ergibt sich auf Basis vom First-Come-First-Serve-Prinzip, das Line-Up bleibt vorab geheim. Das bedeutet, es gibt ganz klassisch eine Liste, die im Verlauf der Nacht „on the fly“ abgearbeitet wird. Wir legen sie im Club vor Ort gleich zu Beginn aus. Die kann man sich ankucken und in die kann man sich vom „Boothkeeper“ eintragen lassen. Aber auch online kann man mit uns eine begrenzte Anzahl an Slots abklären – vorausgesetzt wir wissen, wen wir vor uns haben.
Marwin: Der Vorteil bei dieser Vorgehensweise ist, dass viele DJs auf Verdacht „einfach mal so“ vorbeikommen und ihre Freunde mitbringen, die die Musik auch mögen. Sie werden selbst ein bisschen zum Publikum und verschmelzen mit der Crowd. Außerdem sorgt die Zeitbeschränkung dafür, dass Vinyl-Djs nur wenig auf gut Glück mitschleppen müssen.
Zaren: Genau, mit dem teils unberechenbaren Format erzeugen wir auf Ach und Krach Gemeinsamkeit, Spontanität und Offenheit. Die Party wird dadurch nicht nur spannend, sondern auch zum ungezwungenen Networking und nur so wenig elitär wie nötig.
Nanthara: Für den typischen Clubabend ist das natürlich ungewöhnlich und schwierig. Für uns jedoch passt das genau ins Konzept. Die DJs hören sich gegenseitig und reagieren stärker aufeinander als üblich, um den Mix am Laufen zu halten. Die Crowd hat den Bonus, dass sie mit den wartenden DJs groovt und den nächsten Vibe mehr beeinflusst.
Marwin: Und das Tolle ist, es kann gleich zu Beginn los gehen. Technisch ist schon das meiste da. Decks und CDJs stehen bereit und bewegen sich im internationalen Clubstandard. Nur digitale DJs müssten ihr eigenes Equipment mitbringen, mit dem sie vertraut sind. Wir machen extra schön Platz. Idealerweise sind die Controller und Interfaces kompakt. Dann geht der Wechsel schnell und wir bauen eine gute „Rumfummel-Chinch-Kultur“ an der Booth auf. Vergesst nicht eure Kabel!
Zaren: Selbstverständlich passt jemand auf die Geräte auf, genauso wie auf alle mitgebrachten Platten. Die DJs können so unbesorgt die Atmosphäre aufnehmen.
Open Turntable Sessions bergen natürlich die Gefahr, dass auch schlechte DJs dort auflegen. Wie werdet ihr dem vorbeugen?
Zaren: Wir bewerben wir die Veranstaltung einfach frei von stereotypen Motiven und lockern den Begriff „Disco“ mit den Genre-Schlagwörtern Funk, Soul und Boogie auf. Wir denken das erreicht eine Menge guter Leute, denen positive Vibes viel bedeutet. Wer damit etwas anfangen kann, ist schon bereits auf der richtigen Seite.
Marwin: Ansonsten haben wir einfach Vertrauen in all die freundlichen Musikmenschen. Wer Quatsch am Pult machen will, sich vordrängelt, Saturday Night Fever im Kopf hat oder das Thema verfehlt, schadet sich ja nur selber.
Nanthara: Um die Qualität in jedem Fall sicherzustellen sorgen wir immer dafür, dass auch erfahrene und anerkannte Djs am Abend mit dabei sind. So gibt es immer viele gute Sets, die schnell einen Ausrutscher ausgleichen, wenn mal einer passiert.
Marwin: Was auch besonders hilft, ist, dass wir die Party zweigleisig bewerben: mit Englisch und Deutsch. Das internationale Publikum aus Frankreich, Italien oder Spanien ist ja grundsätzlich oft sehr gut mit dem Sound sozialisiert, und England sowieso. Da ist es fast schon schwer die falschen Leute zu erwischen. Das Schlimmste, das also höchstens passieren kann, ist, dass wir mal ein paar Breitseiten von tot-geloopten und sehr uninspirierten Slow-Motion-Edits gegen die Ohren bekommen können. Aber mit dem Risiko lebe ich gerne.
Warum schon am frühen Abend? Wird vielleicht auch mal ein All-night-long-Event draus?
Zaren: „Disco Spektrum“ ist zurzeit als Afterwork-Party gedacht, mit dem man das Wochenende gleich richtig starten kann. Wir wollen auch die Leute abholen, die gerade von der Arbeit kommen, früher frei haben und sonst auf dem Sofa enden würden. Kurzfristig wollen wir allerdings schon die nächste Stufe erreichen und in die Nacht verlängern.
Marwin: Die ersten zwei frühen Stunden haben wir eine „Wohnzimmer-Stimmung“. Das ist Teil des Plans. Da geht es ums Zuhören und den Dialog. Da können auch die ersten DJs an der Booth einfach Sammler oder Musikliebhaber sein, die nur mal den Fader etwas schieben. Wir zeigen uns alle, was uns gefällt.
Nanthara: Unsere Reihe soll in naher Zukunft auf jeden Fall eine ganze Nacht bedienen. Wir starten langsam und arbeiten mit allen Interessierten eng zusammen. Wir wollen nicht weniger als die ultimative Disco-Party für die Stadt schaffen. Das fängt oft klein an. Auf unserer Agenda steht gemäßigte Professionalisierung und faire Gagen ganz oben.
Marwin: Je mehr Supporter und groovende Leute, desto schneller können wir uns entwickeln. Werft ‘was ins DJ-Spendenglas und habt einfach Spaß mit uns!
Wie regelmäßig wird die Reihe stattfinden?
Zaren: Monatlich finden wir für dieses Format gut. Der große Spielraum und die Spontanität schaffen jedes Mal viel Abwechslung und einen spannenden Abend. Außerdem haben wir uns gegenseitig viel zu sagen. Da ist Gesprächsstoff vorhanden.
Marwin: Einmal muss man im Monat grooven, sagt mein Arzt.