It’s a family affair – das gilt für Salin Records zu 100 Prozent. Das Label machen Christophe Salin und seine Frau Daria aus Lübeck und es steht seit seiner Gründung 2015 für Deep House mit vielen Jazz-Referenzen. Ich bin letzten Sommer darauf aufmerksam geworden und habe Salin-Platten vor allem für DJ-Abende in Bars und entspannte Warm-ups eingepackt. Jazz-House mag ein wenig aus der Zeit gefallen wirken, aber das finde ich gerade so sympathisch. Können sich andere doch abarbeiten an den ewig gleichen Disco-Samples, Breakbeat oder was auch immer gerade angesagt ist. Hier machen Leute eindeutig, worauf sie Bock haben. Ganz egal, ob es einem Trend folgt. Das macht Christophe zu einem super Ashorecast-Kandidaten und ein paar Fragen zu seinem Baby Salin Records hat er auch noch beantwortet – inklusive Lübeck-Tipps, schrecklichen DJ-Momenten im Pacha und einem Einblick in seine Studio-Arbeit.
Hey Christophe, danke für deinen Mix! Worauf kam es dir bei der Auswahl der Tracks an?
Chrisophe Salin: Hi Regina, vielen Dank für die Einladung zu diesem Mix und dem Interview. Ich freue mich, dass der Mix dir gefällt. Ich mag Kunst, zum Beispiel Bilder oder Filme und besonders Musik, die mich mit auf eine Reise nimmt. Ich liebe den Moment, wenn Musik mich dazu bringt, nicht mehr zu denken, sondern einfach im Hier und Jetzt zu sein. Mit meinen Produktionen und DJ-Mixen versuche ich diese magischen Momente zu erzeugen. Das Thema für diesen Mix war „Musik, die einem ein Lächeln auf das Gesicht zaubert“ und ich hoffe, dass genau das im Laufe des Mixes passiert.
Du heißt ja eigentlich Christoph Kühn, als Künstler aber Christophe Salin. Warum hast du dich dafür entschieden? Hattest du früher auch andere DJ-/ Produzenten-Pseudonyme?
Die Idee zu Darias erstem Bild, welches übrigens das Cover der neuen EP ist (im Original ca. 1,20 x 1,20 Acryl auf Holz) entstand 2009 an den Salin-Stränden von Ibiza. Als Daria später nach einem Künstlernamen suchte, fanden wir die Idee schön, den Ort im Namen aufzugreifen, an dem alles begann. Später brauchte ich einen Künstlernamen, und wir fanden es romantisch, den gleichen Künstler-Nachnamen zu haben, genau wie im “richtigen” Leben. Ja, ich hatte damals andere Künstlernamen, aber die verrate ich nicht.
Mit 14 habe ich das erste Mal House gehört und mich sofort verliebt. Mit 16 oder 17 hatte ich meinen ersten DJ-Gig. Damals habe ich zusammen mit meinem besten Freund auch angefangen die ersten Tracks zu produzieren und wir hatten eine sehr gute Zeit.
Irgendwann fanden wir uns aber in der Situation wieder, dass uns das Label gesagt hat „schau dir mal die Dance Charts an und bau mal etwas Ähnliches nach“. Als mir dann noch bei einem Gig im Pacha HH die Frage gestellt wurde „Kannst du mal Schnappi, Das Krokodil spielen“ und „was muss ich dir dafür zahlen“, habe ich gemerkt, dass ich meine große Liebe (House) verlassen hatte. An dem Abend habe ich das alles hinter mir gelassen. Kurz darauf habe ich Daria kennengelernt und wir haben uns gegenseitig zu dem inspiriert, was wir heute machen und sind. Ich bin sehr glücklich, heute ein Teil einer Szene zu sein, in der es nicht um „Sehen und Gesehen werden“ geht, sondern um die Musik und die Kunst. Es ist großartig, mit so vielen wundervollen Menschen arbeiten zu können.
Salin Records machst du zusammen mit deiner Frau Daria, die für die visuelle Erscheinung zuständig ist. Die ersten EPs auf Salin waren von dir selbst produziert, und von Daria gestaltete Shirts, Taschen und Prints kann man bei euch im Shop kaufen. Ging es euch zunächst darum, mit dem Label eine eigene Plattform für eure Musik und Kunst zu haben? Oder was war für euch der Grund, ein eigenes Label zu starten?
Daria und mich verbindet eine große Liebe zu (elektronischer) Musik und Kunst. Es gibt so viele magische Momente in unserem Leben, vor allem an den Tagen, an denen wir gleichzeitig an kreativen Dingen arbeiten (wir haben das große Glück, das Studio und Atelier in unserer Wohnung zu haben). Wir möchten diese Stimmung nach außen tragen und teilen. Von Anfang an war aber auch der Wunsch da, eine Label-Familie zu gründen. Salin001-003 waren alle von mir, da wir, bevor wir Künstler zu Salin Records einladen wollten, erstmal eine Basis schaffen mussten. Wir wollten den Künstlern etwas “bieten” können.
Im Herbst 2018 kam erstmals eine Various-Artist-Platte bei euch raus, worauf Tracks von Sable Blanc, Gledd und Eddi Shkiper zu finden sind. Darauf folgte eine EP von Saint Paul. Wie kam es jeweils dazu?
Salin Records ist ein Herzens-Projekt und wird von uns mit viel Liebe betrieben. Die Jungs haben das irgendwie von Anfang an gespürt und wollten unbedingt ein Teil davon werden. Mittlerweile bekommen wir eine Menge Demos und viele geben sich nicht einmal die Mühe zu recherchieren, wie wir heißen. Wir erhalten oft Nachrichten, die mit „Hallo Salin Records“ anfangen, dabei ist es wirklich nicht schwer herauszufinden, wie wir hießen. Naja, bei den Jungs war es anders. Alle hatten sich mit unserer Idee auseinandergesetzt und wollten nicht einfach nur ihre Tracks bei irgendeinem Label unterbringen, sondern mit uns zusammenarbeiten. Seitdem sind großartige Freundschaften auch im offline Leben entstanden. Im Spätsommer kommt Sable Blancs erstes Album auf Salin Records raus. Das ist für uns ein riesen Kompliment, denn Adrien (Sable Blanc) hat dieses Album von Anfang an für Salin Records vorgesehen.
Bald kommt deine neue EP „You Took My Love“ raus, wieder mit vielen Jazz-Samples. Wie bist du mit Jazz in Berührung gekommen? Gibt es einen bestimmten Künstler oder ein Album, der oder das dich seit jeher begleitet?
Ich würde mir wünschen, dass ich sagen könnte, dass irgendein Familienmitglied mich musikalisch beeinflusst hat, aber dann würde ich heute wohl eher Schlager oder Top-40-Musiker sein. So wie ich mit 14 House entdeckt habe (ein ganz großes Dankeschön an Boris Dlugosch dafür), habe ich mit Anfang/Mitte 20 Jazz entdeckt. Durch mein “Studium” an der SAE und durch die Arbeit im Studio und als DJ habe ich gelernt, Musik sehr bewusst zu hören. Musik ist teilweise sehr vorhersehbar. Jazz ist ganz anders. Jazz ist überraschend, aufregend und experimentell. Ich genieße es, nichts zu verstehen und einfach nur zu fühlen.
Wie ist deine Herangehensweise bei der Produktion: Arbeitest du mit eher mit einem Sampler wie der MPC oder entsteht bei dir alles am Computer? Gibt es ansonsten ein Gerät, das für dich im Studio unverzichtbar ist?
Mein Hauptinstrument ist Native Instruments Maschine. Ich benutze sie wie eine MPC. Ich habe eine ziemlich große Sample-Library; alles von Vinyl, CD oder digitalen Downloads gesampelt. Ich nutze keine Sample-Packs und keine Presets. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich damals als Teenager mit Reason gestartet habe, auf jeden Fall ist es bis heute so, dass ich gerne mit Softwareinstrumenten und Plug-Ins arbeite. Ableton Live oder Studio One nutze ich als Sequenzer und Mischer. Ich habe dann meist ein paar Software-Synthesizer und –Drummachines als Plug-Ins, die ich über Maschine triggere. Samples werden direkt aus Maschine abgefeuert. Das Ganze ist aufgebaut wie eine Analog-Session nur eben digital und zum Glück speicherbar. Ich finde Ableton zum Arrangieren großartig, allerdings benutze ich keine der internen FX oder Instrumente. Ich habe ein paar großartige Plug-Ins von zum Beispiel Softube, Soundtoys und Brainworx. Auf Softube Modular und Heartbeat würde ich ungerne verzichten.
Ich muss gestehen, dass ich noch nie in Lübeck war. Gibt es dort gute Clubs und Plattenläden, die wir uns für einen Besuch merken sollten?
Nach Lübeck sollte man eher kommen, um mal abzuschalten. Wir haben eine malerische Altstadt, die komplett von Wasser umgeben ist. Es gibt einige sehr empfehlenswerte Restaurants und eine großartige Bar mit Blick auf das Wahrzeichen von Lübeck, das Holstentor. Die Ostsee ist mit dem Auto nur 15 Minuten entfernt. Der perfekte Tag im Sommer beginnt im Innenhof eines der schönen Cafés, danach eine Kanutour auf der Wakenitz, Abendessen im Fermenti (weltbeste Pizza und guter Wein) und dann ein letzter Drink im Dietrichs.
Aus der Berliner Perspektive frage ich mich: Denkst du, es ist für ein Musiklabel heute unerheblich, wo man lebt? Oder hätte es aus deiner Sicht Vorteile in einer größeren Stadt zu sein, um sich besser mit anderen aus der Musikszene vernetzen zu können?
Die Frage trifft voll in Schwarze. Wir fragen uns andauernd, ob wir nach Paris gehen sollten. Wir fühlen uns in Paris sehr wohl und sind mehrmals im Jahr dort. Viele Künstler und Labels, mit denen wir eng verbunden sind, sind dort. Auch das Mastering Studio von Mathieu Berthet, der alle Salin Records Platten mastert, ist in einem Vorort. Natürlich würde uns ein Leben in Paris voranbringen, vor allem Daria als Malerin und mich als DJ. Aber hier in Lübeck haben wir eine Wohnung mit Atelier und Tonstudio. Das wäre in Paris unbezahlbar. Allein das Studio könnte ich so in Paris nicht aufrechterhalten. Aber gerade hat mir ein Freund erzählt, dass er in Paris ein neues Studio gründet und gesagt, dass ich herzlich willkommen bin. Naja, dann gibt es aber auch die Familie und sehr gute und Freunde hier in Lübeck. Ich denke, dass es einfach nicht den perfekten Ort gibt. Lebst du in Paris, stört dich der Lärm, das ewige Gedränge, der fehlende Platz zum Leben und vielleicht das ständige Nachdenken über Geld (Paris ist sehr teuer im Vergleich zu Lübeck). Lebst du in Lübeck, nervt dich der fehlende kreative Input und das Spießbürgertum einer Kleinstadt.
Tracklist
Foreign Sequence – I’ve Been Searching You
Chaos In The CBD – Trust Is Key
Jus-Ed – Retrace Your Life
Move D – Like I Was King (Black Label Mix)
Schatrax – Restless Dub
Javonntte – These Words
Azymuth – Space Jazz Carnival (Global Communication Mix)
Masters At Work – To Be In Love (Masters At Work Dub)
Tilman – Broken Dreams
Ace & The Sandman – Ain’t That Somethin
DJ Falcon – Untitled
Deodato – Whistle Bump
Joe Claussell – Je Ka Jo
Jorge Ben – Oba lá vem ela
Salin Records ist bei Bandcamp, auf Soundcloud, Instagram und Facebook zu finden. Christophe Salin außerdem bei Soundcloud, Facebook und Instagram.