HipHop und Twitter sind so Dinge, die gehören für mich zusammen. Das reicht vom platten Beef über tatsächlich witzige Memes bis hin zu Entdeckungen, die ich woanders wohl kaum gemacht hätte. Eine ganz spezielle Bubble eben. Eher für die leiseren Töne, äh, Tweets ist genau dort Wenzel Burmeier aka Wenzel Dashington zuständig – was aber auf keinen Fall heißt, dass der ehemalige Juice-Redakteur nichts zu sagen hätte. Seinen Durchblick in Sachen Rap stellt er lieber regelmäßig schreibend für diverse Medien oder einmal pro Monat auf Cashmere Radio unter Beweis.
Wenzel, neulich auf Twitter meintest du, du hättest Tangerine Dream gepumpt. Welches Album und warum sollten sich das auch unsere Leser mal anhören?
Das war Rubycon, eine Platte mit zwei 17-minütigen Tracks, auf die mich der Kollege Ralf Theil brachte. Die erste Seite ist eine irre Ambient-Reise, bei der ich emotional sofort einsteigen konnte: Sie fängt wunderbar verschlafen an und verwandelt sich dann immer mehr zum dystopischen Albtraum – und bleibt dabei aber immer schön kitschig, new-age-ig.
Wir dürften uns zu deiner Zeit beim Juice Mag kennengelernt haben. Wie bist du damals dazu gekommen, für die Juice zu schreiben und zu arbeiten? Wie lang ging das und wie ist dein Fazit auf die Zeit im Rückblick?
Ich habe die klassische 2010er-Biografie hingelegt: fürs Praktikum nach Berlin. Das habe ich vor gut fünf Jahren bei der De:Bug (RIP!) gemacht, der besten Schreibschule überhaupt. Da konnte man sich nämlich in allen Albernheiten versuchen – und weil ich der Einzige war, der dort mit R&B etwas anfangen konnte, wurde ich von Universal nach London geschickt, um das Weeknd-Major-Debüt zu hören und dem Typen per Skype zuzuwinken. In diesem absurden Szenario lernte ich Sascha Ehlert kennen, der kurz darauf die Redaktionsleitung bei der Juice übernahm. Und als die noch Unterstützung suchten, wurde ich Teil der Redaktion. Ich habe damals verschwiegen, dass ich bestimmt fünf Jahre lang keinen Deutschrap mehr gehört hatte, und das war im Nachhinein auch immer wieder die größte Hürde für mich bei dem Heft. Ich bin zwar mit Hamburg Rap sozialisiert worden, habe mich dann aber immer mehr für US- und UK-Rap interessiert. Deutschrap hatte mir lange Zeit zu wenig eigenen Charakter – was sich zum einen mit dem Erfolg von Straßenrap geändert hat, der für mich eine neue sprachliche Ebene und Attitüde aufgemacht hat und Sound-mäßig mit solchen Weirdo-Projekten wie Geld Leben von Crack Ignaz & Wandl, das auch in diesem Mix gefeaturet ist. Die knapp vier Jahre, in denen ich Teil der Juice war, waren rückblickend jedenfalls unbezahlbar, weil ich nicht nur gelernt habe, ein Heft zusammenzuschustern, sondern Freunde fürs Leben kennengelernt habe. Ich habe das Gefühl, da versammeln sich immer wieder Menschen, deren Horizont weit über das Rap-Tagesgeschehen hinaus geht, die aber trotzdem eine Jugendliebe am Leben halten.
Doch “music writer” bist du ja (nicht nur laut deiner Twitter-Bio) noch immer. Gibt’s da gerade größere Projekte an denen du arbeitest, auf die man sich freuen kann?
Ich muss sagen, dass ich gar nicht weiß, ob „music writer“ so ein super Begriff ist, aber irgendwie habe ich mich nie wohl damit gefühlt, mich „Musikjournalist“ zu nennen. Ich liebe es, über Musik zu schreiben, aber Journalismus folgt für mich einem (tages)politischen Auftrag, und diese Wichtigkeit möchte ich meinem Nerdtum gar nicht beimessen. Ich lese gerade sehr viele Musikbücher (aktueller Tipp: Uproot von Jace Clayton) und glaube, das Format möchte ich auch mal angehen. Dauert aber vielleicht noch ein paar Jahre.
Deine Sendung Ca$hmere läuft regelmäßig auf Cashmere Radio. Neben der Selection an sich mag ich eure Themen-Specials. Wie läuft bei euch die Themenfindung? Und wer gehört neben dir eigentlich noch dazu – oder ist Ca$hmere im Kern dein Ding?
Hinter Ca$hmere stecken: Carlos Steuer, Viola Funk und ich – Shoutout an die beiden an dieser Stelle! Wir sind noch immer die einzige Rap-Show auf dem Sender Cashmere Radio, deshalb versuchen wir eigentlich immer auch, einen kleinen Überblick darüber zu geben, was aktuell so in der Rapwelt passiert. Aber wenn man eine Show auch in ein paar Jahren noch hören kann, ist das umso schöner – und dabei hilft so ein Narrativ in Form von einem Thema, denke ich. Die Themen ergeben sich aus reinem Nerdtum: Man schickt sich möglichst absurde oder vergessene Songs hin und her. Und ich persönlich liebe es, wenn man solche Songs in einen größeren Rahmen fasst. Das kann dann ganz unterschiedlich aussehen: in Form einer Label-Historie, der Diskografie von einem Produzenten oder indem man sich dem Sound einer bestimmten HipHop-Phase widmet.
Interessant ist die Mischung eurer Gäste. Von Asadjohn über Garma Kang bis zu Glenn Astro. Wie entscheidet ihr, wer eingeladen wird? Und gibt’s einen Traumgast, der bisher nicht konnte oder wollte?
Das hat sich eigentlich immer aus folgender Mischung ergeben: Leute, die wir spannend finden und zu denen man irgendeinen persönlichen Kontakt hat. Props an Viola, die alle Gäste eingeladen hat, die du gerade erwähnt hast! Dazu kommt, dass wir live aus Berlin-Lichtenberg senden und es entsprechend passen muss, dass Künstler zu dem Termin vor Ort sind. Deswegen gibt es endlos viele Traumgäste, bei denen es schwierig ist, sie einzuladen. Wir wollen seit Ewigkeiten eine Sendung mit Tereza machen, die in ihren Sets oft so eine wunderbare Ebene zwischen Soul und Rap aufmacht. Und der Homie Davide Bortot hat versprochen, in absehbarer Zeit seine HipHouse-Knowledge mit uns zu teilen, das wird mega!
Danke für deinen Ashorecast, wie und wann hast du ihn aufgenommen? Hattest du vorher schon ein Konzept im Kopf oder einfach losgelegt?
Die Freude ist ganz auf meiner Seite! Als uns vor einigen Wochen bei Ca$hmere ein Gast abgesprungen ist, musste ich fix improvisieren, und habe mich durch die Rap-Tunes gehört, die mich in letzter Zeit begleitet haben. Da fiel mir auf, dass die alle ziemlich moody waren und super zum Herbst passen. Ich hab das dann ganz blöd als „Autumn Rap“ gelabelt und du bist auf deinem Twitter-Grind direkt drauf angesprungen, haha. Ich hab’ mich total gefreut, als du nach dem Mix gefragt hast, und wollte diesen roten Faden weiterspinnen: melancholische Rap-Songs voller Feelingsgefühle. Dazu kamen dann noch ein paar Songs, die das Rap-Dogma aufbrechen. Ich liebe es, wenn Mixe einen bestimmten Vibe transportieren – und der ist für mich überhaupt nicht an einen Stil gebunden.
Wann und wo wird man dich bald mal wieder auflegen hören können?
Nächsten Samstag bei Ca$hmere, also am 24. November. Die Sendung läuft alle vier Wochen Samstags. Und wenn du ein DJ-Team für deine Hochzeit suchst oder den Booker vom Matrix kennst: holla!
Tracklist
Mit Songs von Sampha, Anderson Paak & Blu, Master P, Freddie Gibbs, Devin The Dude, Mac Miller ft. Vince Staples, Crack Ignaz & Wandl, Blue Iverson und vielen anderen.
Wenzel Dashington kann man bei Soundcloud und Twitter folgen.