Vor fast zehn Jahren bin ich nach Jena gezogen. Komplett naiv, natürlich, habe ich genau einen Tag für die WG-Suche eingeplant – und mir den Nachmittag für einen Besuch im Fatplastics freigehalten. Dem Ort, wo ich in den kommenden vier Jahren einen Großteil meines BAföGs auf den Kopf hauen sollte. Gegründet wurde der Laden von Sören Bodner alias Monkey Maffia, zu einer Zeit, wo ich noch nichtmal wusste, wo Jena überhaupt liegt. Denn Sören lebt und liebt dieses Musikding nicht erst seit gestern, sondern sammelt bereits seit 1990 Platten und legt auch schon fast genauso lange auf. Angefangen hat alles im Kassablanca (noch so ein Ort, an dem ich genauso viel Zeit wie Geld ließ), zusammen mit Robag Wruhme als die Wighnomy Brothers. Zusammen haben sie hunderte Gigs gespielt, bis irgendwann Schluss war, beide auf Solopfade gingen und Ende 2016 endlich wieder zusammenfanden – und sei es eben nur für ein paar Auftritte.
Ich könnte so viele Geschichten erzählen, die ich mit ihrer Musik verbinde. Von durchgemachten Nächten im besetzten Haus in Jena, von Open-Airs, endlosem Nerdtalk und all sowas. Ich schätze Sören genauso als DJ wie als Menschen, schon immer, und wie großartig es ist, dass er nun für uns auch noch einen Ashorecast aufgenommen hat. Oder besser: mitgeschnitten. Nämlich in der Wolke in Wolkramshausen, am letzten Wochenende bevor der Club schließen musste. Wie er sich an diese Nacht erinnert, wie sich das Comeback der Wighnomy Brothers anfühlt und warum es so lange keine neuen Tracks von ihm zu hören gab – über all das und mehr sprachen wir mit Monkey Maffia.
Sören, was hast du in letzter Zeit so gemacht?
Musikalisch hat mich auf jeden Fall das Ding mit den Wighnomy Brothers beschäftigt. Es ist zwar wie früher, aber trotzdem ist wieder alles neu, irgendwie schwer zu beschreiben. Vor unserem ersten Auftritt war ich natürlich aufgeregt, habe lange überlegt, was ich spiele und so weiter. Zudem habe ich an meiner nächsten EP weitergearbeitet. Und es sind ja gerade Ferien und die Kids zu Hause, da ist natürlich Action angesagt.
Wo du die Wighnomy Brothers ansprichst: Nach sieben Jahren Pause habt ihr Ende letzten Jahres erstmals wieder zusammen in der Distillery aufgelegt, weitere Auftritte folgten und kommen auch noch. Packst du für diese Gigs anders als für deine Solosets?
Irgendwie schon, aber eher packe ich noch Sachen mit dazu. Ich muss mich dafür nicht verstellen, spiele auch weiterhin nur Tracks, die ich mag. Es gibt so ein paar Platten, die ich höre und mir denke, man, in dem Wighnomy-Kontext würde das total passen. Die Sachen sind dann vielleicht härter, etwas melodischer oder so, irgendwie so.
Meinst du eher offensichtlichere Hits?
Mhhh, Hits würde ich gar nicht so sagen. Nach was ich aber definitiv suche, sind Stücke, wo die Melodie mehr hängen bleibt. Wenn ich alleine spiele, gibt’s natürlich auch Melodien, so ist es ja nicht, House mit Chords, die einen catchen. Das ist schwer zu beschreiben, und von mal zu mal unterschiedlich. Die Differenzen sind da wohl eher subtil. Und am Ende geht’s ja auch nur darum, unsere beiden Musikwelten zusammenzubringen, also mache ich in meiner Plattentasche einfach ein bisschen mehr Platz für so ein paar musikalische Brücken.
Darf es neben den Platten für dich inzwischen auch mal ein USB-Stick sein?
Eigentlich spiele ich immer noch nur Vinyl, schleppe zwei Plattentaschen und manchmal sogar noch einen Rucksack mit mir herum. Ich mag es ja beim Auflegen in verschiedene Richtungen zu gehen. Und ich will auf jede Situation reagieren können. Natürlich habe ich auch immer zwei Sticks dabei, man weiß ja nie, aber eigentlich spiele ich davon wirklich nur Stücke von Freunden oder meine eigene Musik. Manchmal dauert es vier oder fünf Stunden, bis ich meine Plattentaschen gepackt habe, aber das ist einfach mein Weg, so ist es mir am liebsten.
Fühlt sich euer Comeback als Wighnomy Brothers für dich bis jetzt gut an?
Naja, für uns ist das eigentlich kein Comeback. Wir legen ja nur ab und zu mal wieder zusammen auf, was dann daraus wird, das ist noch gar nicht klar. Aber auf jeden Fall ist es wieder sehr schön und auch zugleich befreiend. Weil zusammen spielen und dieses Gefühl wieder zusammen teilen, das hat es früher schon ausgemacht, und ich bin mal gespannt auf die kommenden Monate.
Heißt das, es gibt erstmal keine Pläne für neue Releases?
Nein, wir wollen uns erstmal keinen Druck machen und einfach schauen. Es macht wieder Spaß und das soll auch so bleiben. Einfach ganz locker. Und halt gucken, was daraus entstehen könnte, aber nicht muss.
Was entsteht denn gerade so in deiner Heimat Jena? Gibt’s da etwas, was dich kickt? Spannende Orte, Labels und Projekte, die man auf dem Schirm haben sollte?
Obwohl Jena so klein ist, passiert hier ständig irgendwas. Es gibt immer Sachen, die mich inspirieren. Was ich zum Beispiel sehr spannend finde, ist von Matthias Linder das Label Yarn Records. Dann noch Treplec, der Betreiber von Milnor Modern, da kommen bald wieder ein paar Platten. Und noch Solid Rotation, auch wenn die Jungs inzwischen in Weimar und Leipzig wohnen. Aber da passiert ja weiterhin was, zuletzt zum Beispiel die sehr gute EP von Lekande. Als er noch in Jena wohnte, wusste jeder, dass der Typ zuhause heimlich Bomben schraubt, endlich kommt auch mal was auf Platte, und ich bin gespannt, wie es da weitergeht. Und ja, auch bei Musik Krause und Freude Am Tanzen wird demnächst einiges passieren, auch wenn ich da noch keine Details verraten darf.
Was würdest du jungen DJs, die gerade erst anfangen, mit auf den Weg geben?
Ich glaube, man sollte mit der Musik einfach seinen eigenen Weg finden. Danach suchen, was man selber wirklich will und sich nicht verbiegen. Man muss für sich einen Sound finden, mit dem man die Leute bewegen will, sowohl emotional als auch auf dem Dancefloor. Authentizität ist echt wichtig als DJ. Ich muss da an Soulphiction denken, seine Sets haben mich auf der House-Ebene immer abgeholt, weil er einfach einen speziellen Sound hat und auch mal alte Platten spielt. Oder so Rare-Groove-Sachen, der trifft immer ins Schwarze, nicht der Kram mit den cheesy Vocals, sondern Tracks mit so einer gewissen Deepness, die halt die Leute trotzdem durch ihr Gefühl mitnehmen. Ich finde es wichtig, dass ein DJ auch mal ausbricht, und nicht immer das macht, was alle machen. Ben UFO ist auch so ein Fall, der zieht das Ding mit den Broken Beats durch, oder spielt auch mal schroff. Aber selbst wenn ein Set mal nicht komplett mein Ding ist: Wenn ich merke, dass das dein Sound ist und du es wirklich fühlst, dann ist das cool. Auch ich bin nach wie vor auf einer Reise, man sucht ja ständig seinen eigenen Sound.
Wo befindest du dich selbst denn momentan?
Ich bin großer Fan von den Sachen, die zwischen den Genres hängen, so halb gebrochene Beats, ein bisschen technoid, gerne mit einer Note Dubstep, die Affinität hatte ich aber schon immer. Am Ende hänge ich immer irgendwo zwischen House und Techno, nur eines davon wäre mir einfach zu wenig. Und es gibt auch wieder viel Spannendes in Richtung Minimal, auch wenn man das ja eigentlich gar nicht mehr sagen darf, zum Beispiel die letzte EP von Gathaspar, die hat mich komplett umgehauen. Das hat diesen modernen elektronischen Touch und ist trotzdem housy, ich liebe das. Am Ende suche ich einfach nach immer neuem Zeug. Egal ob alt oder gerade erst erschienen, ich mag es, wenn ich das Gefühl habe, dass ich einen Track noch nicht hundertmal gehört habe.
Wieviel Platten kaufst du derzeit pro Monat?
Momentan ist es wieder weniger, ich weiß gar nicht genau weshalb. Es gibt einfach wieder mehr Sachen, die mir nicht so zusagen. Manchmal sind es zehn, manchmal auch zwanzig Platten im Monat. Vor ein paar Jahren gab es Phasen, da waren es so viele pro Woche. Aber ich bin auch sehr wählerisch. Und so bitter das auch ist, aber manchmal kann mir schon die Hi-Hat eine ganze Platte versauen.
Zurück zu deiner Musik. Die letzte EP liegt bereits drei Jahre zurück, woran liegt’s?
Als DJ weiß ich genau, was ich will. Wenn ich selber Musik produziere, bin ich aber viel unsicherer, vergleiche meinen Kram mit Sachen, die ich spiele und sehr mag. Es gibt so viele Leute, die gute Musik machen, diese Vergleiche hemmen mich leider manchmal. Nicht nur in der Produktion, sondern auch wenn es dann an die Auswahl für ein Release geht.
Aber du meintest, du arbeitest derzeit wieder an einer EP.
Ja, es wird eine neue Freude Am Tanzen mit vier Tracks kommen. Und noch einiges anderes, aber da kann ich noch nicht viel verraten. Ich habe einige Tracks fertig, aber muss auch einfach mal loslassen und die Sachen weggeben. Doch es kommt wieder was von mir, das auf jeden Fall, vielleicht sogar noch dieses Jahr.
Vielen Dank für deinen Mix! Das Ganze ist ein Mitschnitt von deinem Set vom Wolke-Closing. Wie erinnerst du dich an die Nacht?
Ich habe auf dem “Büro”-Floor gespielt, das müsste von zwei bis fünf Uhr gewesen sein. Auf dem Main-Floor war Soulphiction, das weiß ich noch. Mein Floor war eher klein, ziemlich intim, und überhaupt war die Stimmung sehr emotional, weil es ja die letzte Party dort war und das auch jeder wusste. Für die Region war der Club echt wichtig, die Crew hatte auch immer ein gutes Booking. Bei meinem Set habe ich dann viele Tracks gespielt, die mich und die Wolke verbinden, mit denen ich ganz besondere Momente dort verbinde, viele meiner ganz persönlichen Klassiker eben.
Mit Tracks von Midland, Doc Daneeka, Trus’me, Franck Roger und vielen mehr.
Monkey Maffia kann man bei Soundcloud und Facebook folgen.