Zum ersten Mal Wind bekommen habe ich von Frwctrl durch den gleichnamigen YouTube-Channel. Darauf zu finden: jede Menge rarer, obskurer oder einfach großartiger Disco-, Soul- und Funk-Nummern, die ich bislang kaum bis gar nicht auf dem Zettel hatte. Dahinter steckt Christian Beetz aus Hamburg, der nicht nur passionierter Digger und Sammler ist, sondern zudem auch noch selbst Edits einiger Stücke anfertigt, diese gerne in seinen DJ-Sets auflegt und das dann wiederum bei Partys, die er selbst organisiert hat. Der Mann hat also einiges um die Ohren in Sachen Musik, Grund genug für uns, ihm mal ein paar Fragen zu stellen und um einen Ashorecast zu bitten. Herausgekommen ist eine “Short Reminiscence Of A Long Summer”, die uns 50 Minuten vom Meer und lauen Sommernächten träumen lässt.
Christian, ich bin über frwctrl auf dich aufmerksam geworden. Wann hast du damit begonnen und was war die Idee dahinter? Steckst nur du hinter frwctrl oder noch jemand anderes?
Das geht zurück ins Jahr 2007 nach Hessen in unser aller Heimatstadt Darmstadt. Dort begann das alles als eine monatliche Partyreihe names frequencywithoutcontrol (in Anlehnung an Lil’ Louis’ “Frequency (Out Of Control)”) im damals noch existierenden Club Das Stella, welcher glücklicherweise Freunden von uns gehörte, die das Ganze aus diversen vorangegangenen Off-Location-Projekten als erste legale komplett neu geplante und teuer realisierte Location gründeten. Leider existierte dieser unter deren Führung nur zwei Jahre. Dort waren in dieser kurzen Zeit glücklicherweise tolle DJs wie Maurice Fulton, Chez Damier, Nicky Siano, Move D oder Aril Brikha zu Gast. Dazu noch die ganzen Residents, alte Darmstadt-Locals und deren Freunde, zum Beispiel: Gerd Janson, Thomas Hamann, Even Tuell sowie gelegentliche Gastspiele diverser bekannter DJ-Größen aus dem benachbarten Frankfurt, Ata und so. Unsere Partyreihe bewegte sich also damals in einem tollen Umfeld.
Die Frequencywithoutcontrol-Partyreihe habe ich zusammen mit Julius Singer und Michael Satter gegründet, Claudio war zu der Zeit als Gast-DJ gelegentlich dabei und auf jeder Party unsere Dancefloor-Stimmungskanone. Die Idee hinter der ganzen Sache war es, den Spirit von New York zum Ende der Siebziger (Paradise Garage, Loft etc.) sowie das Ron Hardy-Ding aus Chicago in einer Party-/Clubreihe wieder ein wenig aufleben zu lassen und den Vibe dieser Zeit in unsere hessische Heimat zu bringen. Wie zum Beispiel durch die Musik, die Deko (Ballons etc.), die Plakate/Flyer, Mix-CDs als free give away und all das. Ein halbes Jahr später habe ich dann den dazugehörigen Blog gegründet, den ich seit dem alleine betreibe. Mittlerweile nicht mehr ganz so aktiv und ohne Rip-offs von raren 12-Inches wie vor ein paar Jahren noch. Das Blog-Thema ist ja seit einer ganzen Weile eh irgendwie durch. Nachdem dann das Stella geschlossen hatte, haben wir unter dem Namen noch etwa ein Jahr lang alle drei zusammen in Darmstadt, in Frankfurt und im Umland aufgelegt, bis Julius schon als erster nach Hamburg gezogen ist. Seit dieser Zeit (2008) stehe ich alleine hinter frwctrl, das heißt, der Blog, die Edits, mein Dj-Alias, sowie gelegentliche Partys.
Wo gehst du in Hamburg üblicherweise diggen? Irgendwelche Tipps, falls wir die Stadt mal besuchen kommen?
Hamburg ist zum Diggen echt super. Über die ganze Stadt verteilt gibt es unzählige 2nd-hand-Plattenläden sowie am Wochenende diverse Flohmärkte. Wenn man Glück hat beziehungsweise früh da ist, kann man gelegentlich sehr gute Sachen finden, jedoch sind zu Beispiel die Plattenläden relativ abgegrast, dort was seltenes und rares für lau zu finden, ist sehr selten geworden, aber zum Glück noch nicht unmöglich. Ich gehe regelmässig in viele verschiedene Plattenläden, je nach Lust und Laune und Zeit, am besten geht man in Hamburg jedoch privat diggen, bei meinen Homies und Hardcore-Diggern Meda DJ oder Basso (Growing Bin records) zu Hause. Dort gibt es dann das, was es sonst nur sehr schwer bis sogar teilweise gar nicht gibt. Hier aber trotzdem noch ein paar Plattenläden, wo es sich auf jeden Fall lohnt, mal vorbeizuschauen:
- Zardoz (Schanze / Schulterblatt)
- Rekord (Schanze / Schulterblatt)
- Plattenrille (Grindel / Nähe Uni)
- Smallville (St. Pauli)
Was waren die letzten Platten, die du dir gekauft hast?
Young Gun Silver Fox – West End Coast (Légère Recordings): Brandneue killer Soft-Rock-Platte, die den Vibe von früher perfekt nach 2015 katapultiert – großer Lichtblick bei der Scheiße, die heute größtenteils veröffentlicht wird.
Horsebeach – II (Alone Together): Nach dem Hammer-Debüt die zweite LP von der Band aus Manchester um Ryan Kennedy – einfach genial, MUST – dreamy indie late summer sounds – lief im Urlaub letzten Monat hoch und runter.
Domenique Dumont – Comme Ça (Antinote): Dreamy Pop Music aus Frankreich, perfekt zum einem Gläschen Wein an einem warmen Sommerabend.
Zoom – Delta Flight (Polydor): Nach langer Suche endlich relativ günstig gefunden. Zeitlose killer Disco-Platte mit Hits wie “Mellow Yellow und “Flying High”. Checkt auch unbedingt das einzigartige Cover!
Bryvan Stage – Wayout! (Thick Records): Cool and crazy Italo, hatte ich nicht auf dem Schirm, sondern durch Zufall gehört und sofort gekauft.
Lupo – Sahara (Lupo Music): Im Plattenladen in Winterhude gefunden. Nette Jazz-/Pop-Platte aus Hamburg, dazu noch ein killer Cover, kann man machen!
Seit 2013 bist du neben Julius Singer und Claude Kaiser ein Drittel von Take A Disco. Wie kamt ihr auf die Idee zu der Partyreihe, wo finden die Partys statt und gibt es einen Abend, an den du dich besonders gerne erinnerst?
Nachdem Julius nach Hamburg gezogen war, folgte Claudio zwei Jahre später und 2011 dann auch ich. Da wir früher in Darmstadt zusammen schon diverse Projekte wie Partys oder eine Radioshow beim Regionalradio in Darmstadt gemacht haben, war es klar, dass wir, da wir nun wieder alle zusammen waren, in Hamburg auch wieder was starten müssen. Angefangen hat es dann 2011 im Nachtasyl/Thalia Theater mit der ersten Take-a-Disco-Party mit Marcello Giordani als Gast. Seit 2011 haben wir dann im Thalia regelmässig über zwei Jahre lang die Take-a-Disco-Partys veranstaltet, bis dann irgendwann dort die Luft ein wenig raus war und wir bis Ende dieses Jahres dort pausiert haben. In diesen zwei Jahren haben wir dennoch einige Take-a-Disco-Partys veranstaltet, aber in anderen Locations, zum Beispiel im Golem oder in der Beta Lounge. Über die Zeit hin hatten wir tolle Gäste wie Hunee, Carlo Simula, Tiney DJ, Marcel Vogel, Ric Picollo und viele mehr. Von allen Partys war die mit Hunee die prägenste, volle Hütte, draußen lag Schnee, Hunee in Topform mit einem killer cheesy Disco-Set, was will man mehr? Ein unvergesslicher Abend!
Du fertigst auch selbst Edits einiger Stücke an, manche davon sind sogar schon auf Vinyl erschienen. Wie wählst du die Stücke dafür aus, was muss ein Track haben (oder eben nicht), damit er in die engere Edit-Auswahl kommt?
Die derzeitige Flut von Edits ist so immens groß und voll von Müll, es gibt so viele Edits, die gar nicht notwendig sind, da die originale eh schon perfekt sind. Da die richtigen Tracks zu finden, ist die Kunst, und diese dann noch so zu editieren, dass man es gar nicht merkt, finde ich super. Ich mache meine Edits real oldschool, indem ich einfach alles auseinanderschneide und neu zusammenfüge. Ganz wie früher mit Band und Schere und Tesa, nur das Ganze halt am Computer. Ich wähle die Stücke nach folgenden Punkten aus:
- Zu kurzer Track: Strech and loop it
- Komische Parts (refrain etc) in einem Stück, die unbedingt weg müssen, sodass ein gutes Stück daraus entsteht
- DJ-freundlicher machen: Anfang und Ende umbasteln, Parts verlängern
- Coole parts in einem Stück, die man gut umbasteln und loopen kann damit ‘nen etwas anderer Track entsteht, Vocals umbauen und loopen
Hast du auch eigene Tracks in der Mache?
Eigene Tracks habe ich leider nicht, da mir die Zeit sowie das technische Equipment und Know-how fehlt. Ich bleibe lieber bei meinen Edits, das langt mir voll und ganz, sowie beim Plattensammeln und Auflegen. Dennoch plane ich eventuell mit Julius zusammen nächstes Jahr ein eigenes kleines Edit-Label zu gründen, mal schauen, wäre schön, wenn es klappt.
Danke für deinen Mix! Wie und wo hast du ihn aufgenommen, gab es eine Idee dazu?
Der Mix ist bei mir zu Hause mit Plattenspielern und Computer entstanden. Die Idee dazu war, da ich kurz vor meinem Sommerurlaub stand, einige meiner Lieblings-Urlaubslieder drauf zupacken. Also einen perfekten relaxten Sommermix für den Strand. Ich mache meine Mixe immer ohne groß vorher zu schauen, was alles wie und wo drauf kommen soll. Sie entstehen so gut wie immer aus dem Bauch und Flow heraus, einfach ganz spontan.
Wo kann man dich demnächst mal wieder als DJ erleben? Und stehen bald neue Releases oder Partys an?
Nach zwei Jahren Pause im Thalia Theater gibt es vor Weihnachten am 12. Dezember dort unser Comeback mit einer Take-a-Disco-Party. Als Gast haben wir uns dazu DJ Kaos aus Berlin eingeladen. Am 5. Dezember kann man mich bei Airbag Craftworks zum alljährlichen Weihnachts-Lagerverkauf mit diversen anderen DJs zusammen hören. Das war’s dann für 2015. Im kommenden Jahr stehen wieder einige Take-a-Disco-Sachen an, und im Sommer wieder unsere Ahoi-Partys auf der Barkasse MS Hedi. Und mal schauen, was noch so reinkommt. Betreffend Releases hoffe ich, dass ich mit Julius endlich die zweite Hafenstrassendisco-Platte auf Bordello hinbekomme, wenn’s klappt, im Frühjahr.
Tracklist
1. Clannad – Coinleach Glas An Fhómhair
2. W. Barthel/M. Böhm/R. Bauer – Another Rainy Day
3. Friedemann – November Winds
4. Joan Bibiloni – Sunrise
5. Tri Atma – Belong To The Sun
6. Marcos Valle – Fogo Do Sol
7. Instrumental Group Cabas – Cry In The Night
8. Jay Alanski – Géraldine (Tendre Est La Nuit)
9. Camel – Summer Lightning
10. Strand/Möwen
11. Linda Perhacs – Sandy Toes
12. Woo – Magic In The Air (Alternate Version)
13. Dennis Wilson – You And I
Frwctrl kann man bei Facebook, Soundcloud, YouTube und auf Blogspot folgen.