23.09.2015  /  Sascha  /  Kategorie: Podcasts

Irgendwann im Sommer 2010 machte der Name Uncanny Valley erstmals die Runde. Ein neues Musiklabel aus Dresden, dessen Macher für jeden, der sich bereits ein wenig mit der Szene in der Elbe-Stadt auskannte, keine neuen Gesichter waren. Einer von ihnen: Albrecht Wassersleben, den seine Freunde einfach nur kurz Albi nennen. Zusammen mit Conrad Kaden, Carl-Johannes Schulze (aka Carl Suspect) und Philipp Demankowski hob er Uncanny Valley aus der Taufe und präsentierte die erste Various-Artists-EP dem Anlass entsprechend zusammen mit Künstlern wie Break SL oder Jacob Korn auf der Seebühne des Nachtdigital-Festivals 2010. Sein Set von damals höre ich noch heute gerne.

Albrecht Wassersleben

Inzwischen kann Uncanny Valley auf fast fünfzig Releases von Künstlern aus Dresden und darüber hinaus zurückblicken. Mit Rat Life und Shtum sind zudem inzwischen zwei Sublabels am Start und auch Albrecht selbst kommt als DJ gut herum. Als Sammler und Mixer steht er dabei für einen breitgefächerten Geschmack, der bei House oder Techno noch längst nicht Halt macht. Wer seine bisherigen Podcasts kennt, wird das guten Gewissens bestätigen können. Und auch für unseren neuen Ashorecast hat sich der Dresdner wieder etwas einfallen lassen und lässt es mit 45ern auf 33 langsam angehen. Wie er darauf kam, verrät er uns im Interview. Obendrauf gibt es ein kleines Fazit nach fünf Jahren Uncanny Valley, seinen Weg vom Rock zur elektronischen Musik und ein paar Gedanken zu den Unterschieden zwischen Leipzig und Dresden.

Albi, du hast einen breiten musikalischen Background und warst früher im Hardcore/Rock-Bereich unterwegs, hast sogar selbst Konzerte organisiert. Was brachte dich dann zur elektronischen Musik, gab es da einen speziellen Moment?
Ich denke, es waren mehrere Momente. Zum einen über die The Notwist-Alben Shrink und Neon Golden und darüber dann zu Consoles Rocket In The Pocket. Die Verbindung von Rock und elektronischer Musik hatte mich auch schon beim letzten The Refused-Album The Shape Of Punk To Come gekriegt. Mit einem Freund zusammen haben wir manchmal nach Konzerten oder auf Partys im lokalen Alternativen Jugendzentrum aufgelegt. Da haben wir dann alles gespielt, von Noise, Indie bis zu Punk, HipHop oder eben auch elektronische Musik mit Pop-Einschlag. Es gab dort auch Techno-Partys, da lief auf dem großen Floor noch ziemlich schneller Techno, im Keller auf dem kleinen Floor House-Musik und unterm Dach gab es einen Ambient-Floor. Ich habe dann bei einer Party, auf der die Wighnomy Brothers gespielt haben, die Bar-Schicht übernommen und da hat es dann wohl wirklich Klick gemacht. Ich denke, wichtig sind auch immer die Leute, mit denen man dann so abgehangen hat. DJ Polo zum Beispiel war auch jemand, der definitiv Einfluss auf mich hatte. Bei ihm konnte ich zum ersten Mal richtig beobachten, wie man zwei Platten über mehrere Minuten zusammen laufen lassen konnte. Das hat auf jeden Fall Eindruck hinterlassen.

Albrecht Wassersleben Apero

Hört man sich mal ein paar deiner Mixe an, fällt schnell auf, dass du vor nur wenigen Genres Halt machst. Kannst du uns ein paar Digger-Tipps verraten, wie und wo entdeckst du all die Musik? Sind es bestimmte Plattenläden, Webseiten oder Freunde? Und wie entscheidest, was ins Körbchen wandert und was nicht?
An erster Stelle stehen meine Freunde, die alle unterschiedliche Sachen hören; dann zeigt man sich das und begeistert sich gegenseitig für neue Musik. Es passiert auch öfter, dass ich in unseren lokalen Plattenladen Fat Fenders komme und es läuft eine Platte und die kriegt mich sofort oder Dennis (einer der Besitzer) empfiehlt mir eine Scheibe und ich kauf das gerne auch mal blind. Mixtapes im klassischen Sinne machen mir auch viel Spaß; da nehme ich mir zum Beispiel eine ganz bestimmte Stimmung oder ein ganz bestimmtes Thema vor und suche dann in die Richtung was aus. Meistens habe ich dann schon ein, zwei Sachen und über Discogs komme ich dann auch schnell auf ein paar mehr. Blogs spielen nicht so die große Rolle, bis auf ein paar vielleicht: Fromheretillnow, für die eher obskure Popmusik oder das Bandcamp Weekly Radio, das eine tolle Auswahl an diversen Stilrichtungen in seiner Sendung bietet.

2010 erschien die erste UV-Platte, fünf Jahre ist das nun schon her. Zeit für ein erstes kurzes Fazit? Wie zufrieden bist du damit, wie es für UV und shtum bisher lief? Gab es Momente, an die du dich besonders gerne erinnerst?
Es ist schön zu sehen, wie sich die Menschen und Freundschaften darin über die Jahre entwickelt haben. Teil dieses Projekts zu sein heißt auch, Teil einer Familie zu sein. Jeder weiß, dass Familie manchmal ziemlich nerven kann, aber auch, dass man zusammen gehört und für die gleiche Sache einsteht. Das ist für mich das Wichtigste. Als wir mit dem Label angefangen haben, waren wir noch allesamt Jungs und mitten im Studium. Mittlerweile haben einige von uns Kinder und man wird zusammen erwachsen, das ist toll.

uv_crew_pano

Besonders gerne erinnere ich mich an die Momente, in denen wir alle zusammen unterwegs waren oder etwas gemeinsam geschaffen haben. Ob das jetzt zusammen auflegen ist oder eine Party gemeinsam organisieren. Da spielt der Ort auch gar keine Rolle, Hauptsache so viele Freunde wie möglich sind am Start.

Wo Kann Records in Leipzig vor Jahren der Stadt neuen Schwung gab und mit Rose, Holger, Riot Van etc. einige interessante Sachen folgten, hat man bezüglich Dresden immer noch nur Uncanny Valley auf dem Schirm, es kommt wenig nach, was es auch über die Stadtgrenzen hinaus schafft – hast du den selben Eindruck?
Die Beispiele, die du anführst, sind Labels, die durch Veröffentlichungen und eigene Partys mit teils nationalen und internationalen Gästen von sich die Rede machen und das in Clubs mit einer längeren Tradition, zum Beispiel im Conne Island, in der Distillery und so weiter. Das hat natürlich eine Außenwirkung. In Dresden muss man die Locations für seine Veranstaltungen anmieten, was es für die jüngeren Crews finanziell erschwert, ein Line-up mit bekannten Musikern oder DJs aufzufahren. Im kommerzielleren Bereich oder bei den älteren Hasen der Szene beschränkt sich das dann meist auch nur auf einen bekannten Gast und der Rest sind lokale DJs.
Ich denke, es kommt auch ganz auf die Perspektive an, die man einnimmt: mit Lockertmatik als Label gibt es seit einigen Jahren ein Projekt, was lieber unter der Oberfläche schwimmt und eine ganz eigene Philosophie fährt. In Dresden gibt es eine sehr lange Tradition von Workshops, wo sich junge Nachwuchsmusiker mit erfahreneren Produzenten der Stadt treffen, um sich gegenseitig ihre neue Musik vorzuspielen und Feedback geben. Da kocht schon einiges, dafür muss man aber auch den Deckel des Topfes erst anheben. Hier steckt gerade viel Potenzial drin.

aw_steve_mizek

Die meisten Leute, die nach Dresden ziehen, kommen wegen des Studiums hierher. Da entstehen dann in einem bestimmten Rhythmus neue Crews, die Partys organisieren und sobald das Studium vorbei ist, trennen sich wieder die Wege. Meist läuft es ja so ab: man sammelt Musik, irgendwann legt man auf, das wird dann regelmäßiger oder man schmeißt eigene Partys und wenn man dann immer noch weitermachen will und den Drang verspürt, gründet man eventuell ein Label. Wenn man das dann nicht ganz alleine starten will, brauch man also ein paar Freunde, die mit einem zusammen vor Ort das Ding durchziehen; die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert in einem Geschäft, das man schon aus Liebe zur Sache, statt zum Geld macht, ist eher gering – und jetzt stell dir vor, du ziehst nach Dresden und du hast dein Studium abgeschlossen. Vielleicht ist die Stadt und die Szene von Musikschaffenden auch so klein, dass wir das mit allen Labels abdecken können und deswegen nichts “Neues” dazukommt. Vielleicht ist es aber auch ganz anders und ich liege völlig daneben.

Vielen Dank für deinen Mix! Das sind Platten auf 33 statt 45, oder? Wie bist du auf die Idee gekommen, wie hast du die Platten ausgewählt und wo den Mix aufgenommen?
In Hamburg gibt es ein paar großartige DJs, die diesen Style “Sutsche” nennen. Das wollte ich auch immer schon mal machen. Du musst erstmal die ganzen Platten raussuchen, die auf 45 laufen (steht ja nicht überall drauf) und die guten davon identifizieren (nicht jede Platte klingt von 45 auf 33 geil). Das Tolle daran finde ich aber, dass man das nur mit Platten machen kann – das geht einfach nicht digital. Aufgenommen habe ich das dann bei mir zu Hause mit zwei Turnis und einem Mixer.

Kannst du uns schon verraten, was demnächst bei so bei Uncanny Valley ansteht? Vielleicht auch mal ein Release von dir oder ist damit erstmal nicht zu rechnen?
Als nächstes kommen zwei Compilations zur Feier von 5 Jahren UV und unserer 30. Katalognummer. Auf der einen Compilation schauen wir auf die neuen Künstler, mit denen wir in Zukunft zusammen etwas schaffen wollen: zum Beispiel Chinaski, Panthera Krause oder Iron Curtis. Auf der anderen Platte sind die Künstler, die zu unserem engsten Kreis gehören: Credit 00, Jacob Korn, Cuthead und C-Beams (Break SL & Sandrow M). Wenn er am Ende gut wird und Alex seinen Segen gibt, kommt vielleicht ein Stück (beziehungsweise Edit) von mir auf Rat Life raus – aber mal schauen.

Wo kann man dich demnächst mal wieder auflegen hören?
All unsere Dates findet man auf unserer Website.

Tracklist (Künstler A-Z)

DJ Rolando
Dorisburg
Kassem Mosse
Lnrdcroy
Mac-Talla Nan Creag
Marcel Dettmann
Newworldaquarium
Ricardo Villalobos
Trevino
Wax

Albrecht Wassersleben kann man bei Soundcloud, Facebook und Instagram folgen.

Fotos:

1) & 3) Robert Arnold aka Cuthead
2) Jonas Friedrich
4) Steve Mizek
5) Matthias Harre (Podcast-Bild)