14.04.2015  /  Jan  /  Kategorie: Podcasts

Sarah Farina

Wenn man wie ich mit dem Amen Break seine musikalische Früherziehung genossen hat – damit meine ich tatsächlich das Alter bis etwa 20 – spendet man jedem DJ eine spontane Zuneigung, wenn eben jener Amen Break ins Set geschmuggelt wird. Vielleicht eine Art Nostalgie? Sehnsucht nach vermeintlich leichteren Zeiten? So war es bei mir jedenfalls Anfang 2013, als Sarah Farina im Festsaal Kreuzberg neben Legende DJ Rashad (RIP!) ein eklektisches Set zwischen Juke, Jungle und HipHop spielte. Seitdem bin ich Fan. Wenn sie auflegt, ist ihr Enthusiasmus greifbar. Im Fußballjargon würde es heißen: Ihre Spielfreude ist erstligaverdächtig!

Ob kleiner HipHop-Hit auf Underground-Label oder verborgene Juke-Soundcloud-Perle, Sarah diggt immer das kleine bisschen tiefer und kann ihre Fundstücke in einen fantastischen Flow verpacken. Ein sehr gutes Beispiel ist eines ihrer Sets für den Berliner Boiler Room. Alles gute Gründe, die Mitbegründerin von Through My Speakers für einen Ashorecast an die Decks, respektive Controller, zu bitten. Heraus kam ein Podcast, der alles eben Beschriebene vereint: Eklektizismus, sicherer Geschmack und ein wahnsinniger Flow. Ein Ritt von (A)frican Hightech bis (Z)ed Bias.

Hi Sarah, du legst mit Hingabe auf. Man merkt, dass du alles, was du spielst, auch liebst. Woher kommt das?
Meine Eltern haben mir von klein auf die Musik von Künstlern wie Sade, Bob Marley oder The Cure gezeigt. Dadurch habe ich schon früh gemerkt, wie glücklich mich Musik macht und wie viel Spirit und Energie sie mir gibt. Ich habe dann angefangen, Gitarre zu lernen, um meine eigene Musik zu machen und mit Freunden an Sounds basteln zu können. Da war ich etwa zwölf Jahre alt. Einer dieser Freunde war Johann aka The Thallus. Durch ihn habe ich zum ersten mal was von J Dilla, Madlib und 4Hero gehört. Von da ging es weiter zu Künstlern wie Prefuse 73, Flying Lotus oder Broadcast, und seitdem habe ich nie mehr aufgehört neue Musik zu entdecken.

Sarah Farina

Wie bist du DJ geworden?
Mit dem Auflegen habe ich angefangen, nachdem ich eine ziemlich enttäuschende Studienzeit an einer Berliner Musikakademie hatte. Einer meiner besten Freunde hatte damals das Angebot für eine einjährige Residenz in der Cake Bar in Kreuzberg und lud mich ein, immer Sonntags mit ihm zu spielen. Er fand meinen Musikgeschmack super und meinte, ich solle diesen mit mehr Leuten teilen. Ich hab mich total gefreut, da mir mein musikalischer Output nach dem Weggang von der Akademie sowieso sehr gefehlt hat. Ich lernte schnell das Equipment kennen und bekam durchs Auflegen eine ganz andere Perspektive auf viele meiner Lieblingssongs. Von da an nahm alles seinen Lauf: 2011 wurde ich Teil des Kollektivs We Boogie und fand kurze Zeit später meine spirituelle Geschwister bei Through My Speakers.

Also ging es ziemlich schnell mit größeren Auftritten.
Ja, ein prägender Moment war 2012, als ich das Angebot der Sick Girls erhielt, die Aufwärmrunden auf deren Revolution N° 5 Partys zu spielen. Durch meine Präsenz in Clubs wie Gretchen, Horst Krzbrg (R.I.P.), Prince Charles oder Pride Warehouse und viel Support aus meinen eigenen Kreisen hat sich alles in einem natürlichen Flow entwickelt.

Du spielst mit Laptop und Controller, kein Vinyl. Wirst du deswegen oft angefeindet? Wie gehst du mit “Real DJs play vinyl!”-Rufen um?
Ja, das passiert manchmal, aber ich kann darüber nur Schmunzeln. ¯\_(ツ)_/¯
Solche Aussagen kann ich nur schwer ernst nehmen, daher reagiere ich darauf meist humorvoll. Für mich macht es keinen Sinn, sich selbst zu begrenzen. Da stellt sich doch eher die Frage, um was es einem selbst geht. Ich kann nur für mich sprechen und ich weiß, dass es mir darum geht, mit Menschen Musik zu teilen und eine gute Zeit mit ihnen zu haben. Das hat für mich weder mit Vinyl noch mit einem Laptop zu tun. Für mich ist ein DJ eine Art Musikkurator, der seine Lieblings-Tunes in einem Set präsentiert. Wie er das macht, ist mir eigentlich egal.

Sarah Farina Boiler Room

Hast du DJ-Vorbilder? Wen würdest du gerne mal ein 18-Stunden-Set spielen hören?
Vorbilder habe ich keine. Aber Menschen, die mich inspirieren und vor denen ich als DJs großen Respekt habe. Und 18 Stunden, mhhh, schwierig. Ich kann mich nicht für einen entscheiden. Aber das wären meine Favoriten: Kepler, Uta, Perera Elsewhere und Shape.

Kommen wir zu deinem eigenen Mix für Ashore: Wie bist du an ihn herangegangen?
Ich hab einfach die Tracks zusammengepackt, die ich gerade gerne spiele und höre. Außerdem ist der Mix von meinem diesjährigen Gig beim CTM inspiriert. Dort hab ich mit Through My Speakers den I-Revelation-Floor im Yaam Club gehosted. Die Energie in dieser Nacht war sehr speziell und etwas, das ich nie vergessen werde. Der Mix soll das widerspiegeln. Wie in jedem Set möchte ich auch zeigen, dass eigentlich alles miteinander verbunden ist. Die Musik hat so viele unterschiedliche Farben, Grooves, Energielevel etc. – etwas, was ich als Rainbowbass definiere.

Kannst du drei Tracks herauspicken und erzählen, was du mit ihnen verbindest?
Gerne. Die Stimmung von “Axis Seclusion” beispielsweise ist für mich einzigartig. Der Aufbau und wie der Track immer weiter nach vorne geht. Addison Groove überrascht mich immer wieder. Seine Produktionen sind meiner Meinung nach unserer Zeit voraus. Dann noch “Abattoir” von Kahn, Anfang des Jahres auf Deep Medi, einem meiner Lieblingslabels, veröffentlicht. Für mich jetzt schon einer der Tracks 2015. Definitiv beyond deep und ebenso wie Addison Groove aus der Kategorie “next level”.

Als drittes noch “Let U No” von DJ Rashad & DJ Spinn von dem 2013er Album Double Cup. Von Anfang an war das einer meiner Lieblingstracks von seiner LP. Der Tune strahlt so viel Wärme aus und macht einfach Spaß. Ich schätze den Input, die Präsenz und Inspiration der ganzen Teklife Crew sehr. Love to the Teklife family, Hyperdub, to the people of Chicago and to the worldwide footwork & juke movement. Rest in power, DJ Rashad!

Wo denkst du, bringt dich die Musik noch hin?
Auf alle Fälle will ich in Berlins Subkultur weiterhin aktiv mitwirken und dadurch anderen einen Zugang zu Alternativen geben. Sei es als DJ oder Managerin anderer Künstler. Außerdem werde ich dieses oder nächstes Jahr mein erstes eigenes Release veröffentlichen, was auch ein Beitrag sein wird. Vor kurzem haben wir unserem Kollektiv auch eine Booking Agency hinzugefügt, mit an Bord sind unter anderem die Sick Girls und Perera Elsewhere. Am Ende geht es mir beziehungsweise uns auch um Music Education, die durch einen bestimmten Spirit gefördert werden soll. Am besten fasst das der Slogan von Through My Speakers zusammen: International music. International subculture. One Love.

Stichwort Music Education: Was fehlt dir (in Berlin)?
Über die letzten Jahre ist mir aufgefallen, wie sehr sich die für mich relevante Musik aus und in Berlin als eine recht abgeschottete und autonome Musik-Subkultur ihre eigene Nische gebaut hat. Leider ist dabei das Bewusstsein teils verloren gegangen, dass viele der Sounds, die wir in und außerhalb von Clubs hören, miteinander verwandt sind. Auch lässt der kollektive Mindset oft zu wünschen übrig, obwohl viele Crews in der Stadt ähnliche Ziele verfolgen, die gemeinsam definitiv einfacher zu realisieren wären. Doch die Übervölkerung Berlins durch Kreative, Junge, Wilde hat auch seine Vorteile. Das Mischen vieler Kulturen und der Hunger nach Neuem öffnet Berlin grade nachhaltig und das nicht nur für neuen Sound. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass sich in den kommenden Jahren vieles zum Besseren entwickeln wird. Mein Kollektiv Through My Speakers, Sick Girls, Platoon, OHM, Rec Room (eine Partyreihe, die ich mit Uta und Kepler von Sick Girls veranstalte), Leisure System, Eck Echo, Boiler Room, Gretchen, CTM Festival, Yaam Club und viele andere versuchen auf jeden Fall, einen positiven Beitrag zu leisten. Damit es mehr Balance und Bewusstsein bei dem Thema „Music Education“ gibt. Past, Present and Future!

Du hast auch deine eigenen Produktionen angesprochen. Was ist da in der Pipeline? Und vor allem: Wie wird es klingen?
Da wird was kommen, vielleicht sogar noch dieses Jahr. Mehr kann ich nicht verraten. Und es wird natürlich nach Rainbowbass klingen!

Letzte Frage: Wo kann man dich demnächst live erleben?
16.04. Gretchen Club, Berlin
17.04. Altes Wettbüro, Dresden
22.04. Monarch, Berlin
01.05. Yaam, Berlin
09.05. Hühnermanhatten, Halle
22.05. Pfingstopenair, Salching
23.05. Yaam, Berlin

Tracklist

1. Flamm – Zed Bias Feat. Chunky
2. ¯\_(ツ)_/¯ Scratcha DVA
3. Riddim Box – NB Funky
4. Shifty (Jook10 Remix) – Nativ
5. Bone – Stanton Warriors
6. Staight & Arrow (Mike Q & Divoli S’vere Remix) – FaltyDL
7. Rudeboi – Nativ
8. Almighty Father (Solid Groove’s Underground Souljah Mix)
9. Cannon – Champion
10. Fatherless (Doc Daneeka’s MRR SNRZZ Remix) – Breach
11. Axis Seclusion – Addison Groove
12. Busy Earnin’ (Special Request VIP) – Jungle
13. Wiretap – Alex Coulton
14. Good Grief – Commodo
15. Middleman – Pangaea
16. Abattoir – Kahn
17. Red Sand – Jack Sparrow
18. Rules Of The Dance (Kahn Remix)
19. Blen (Remix) – Africa Hitech
20. Work It – Wildlife!
21. Run Your Mouth – Rkal, Lady Leshurr, Noisses & Foreign Beggars
22. Space Cash – Commodo
23. Warrior – Ill K
24. Nexus – Danny Peng
25. Dead & Bury – Fracture & Moresounds
26. SeaSea (DJ Rashad x Taso Remix) – Machinedrum
27. Let U No – DJ Rashad & DJ Spinn

Sarah Farina kann man auf Facebook, Soundcloud, Twitter oder Instagram folgen.

Fotos: Sutida Vestewig (1), Ariana Dongus (2), Zoya Bassi (3) und Camille Blake (Cover-Foto)