“Of course I mean trance: the state of mind, not the sadly misnamed genre”, sagte James Holden einmal gegenüber dem Dummy Mag, als dieses den britischen Produzenten und DJ nach seinen zehn liebsten Trance-Tracks fragte. Auch in der Musik des gebürtigen Bayers Johannes Hertrich alias Unifono geht es weniger um die ewig gleiche Schwebepart-Trommelwirbel-Grütze samt springenden Delfinen, die so manchem schon beide Gehörgänge verklebt hat, sondern vielmehr um “eine Affinität zu sphärischen Sounds und looplastiger Musik”, die den Hörer im besten Falle tatsächlich in eine Art Trance versetzt.
Angefangen Musik zu machen hat Johannes mit 17 Jahren. Damals noch ausschließlich mit der Gitarre um die Schulter, ist er mittlerweile auch elektronisch mit Laptop, Synths und allem, was sonst noch dazu gehört, unterwegs. Und als wären sein Job an den sechs Saiten bei pandoras.box und das gemeinsame Folktronica-Projekt Attune mit seinem Bruder noch nicht genug, debütierte Unifono dieser Tage auch noch mit der “Reframing”-EP als Solo-Produzent auf dem Label Antime. Die Musik darauf wurzelt gleichermaßen in Mittneunziger-Warp-Produktionen, Downbeat, Trip-Hop und aktuellen Entwürfen von Clubmusik. Zu hören sind warme Harmonien, eingängige Melodien und weite Flächen – alles, bloß keine Delfine!
Wir baten Johannes um einen Mix für unsere Ashorecast-Reihe und stellten ihn zudem noch ein paar Fragen zu seinem musikalischen Werdegang, dem Label Antime, seiner Debüt-EP und einigem mehr.
Johannes, du stammst aus Landshut in Bayern und bist eher mit gitarrenlastiger Musik groß geworden – wie fandest du den Zugang zu elektronischen Klängen?
Meine Leidenschaft für elektronische Musik kam tatsächlich erst spät. In meiner Teenagerzeit hörte ich fast ausschließlich Hip Hop. Das war eigentlich die erste große musikalische Liebe. Außerdem hörten wir in unserem Freundeskreis viel Trip Hop, Nu Jazz und dergleichen, was ja auch in die Kategorie elektronische Musik fällt, nur eben auf Samples basierend und daher organischer klingend. Später lernte ich Gitarre und spielte mit 4 Freunden in einer Rockband namens pandoras.box, wodurch eben das Hören von gitarrenlastiger Musik in den Vordergrund rückte. Unser größtes Idol war und ist (ich nehme mir einfach mal heraus für alle zu sprechen) bis heute Radiohead, wodurch wir mit pandoras.box auch immer schon mit elektronischen Klängen experimentierten und sie in unsere Songs einbauten. Mein Zugang zur elektronischen Musik im engeren Sinne war denke ich das Album „Walls“ von Apparat. Das beeindruckte mich so sehr, dass ich nach ähnlichen Artists suchte und so immer mehr Zugang zu elektronischer, synthlastiger Musik fand.
Unifono – Flight Of Fancy (Reframing EP)
Deiner Musik hört man eine Vorliebe für frühe Warp-Releases, Downbeat, TripHop und aktuelle elektronische Musik an – aber da ist auch immer eine gesunde Portion Trance im besten Sinne. Wie James Holden es einmal sagte: “Of course I mean trance: the state of mind, not the sadly misnamed genre.” Geht es dir mit deiner Musik genau darum, die Leute in eine Art Trance zu versetzen?
Ja, das Zitat trifft es, denke ich, ganz gut. Mit dem Genre hat meine Musik denke ich nur wenig zu tun. Wobei man da bestimmt auch super Sachen finden kann. Ich habe auf jeden Fall eine Affinität zu sphärischen Sounds und looplastiger Musik. Ich finde es toll wenn man in einen sich ständig wiederholenden Loop eintauchen kann, der Spannung aufbaut und geringe Änderungen dadurch große Effekte mit sich bringen. Aber zu minimalistisch darf es auch nicht sein. Für mich muss ein Track generell Gefühle vermitteln, am besten durch Melodien, die einen nicht mehr loslassen. Das versuche ich beim Hörer zu erreichen. Gefühle zu wecken, ob freudige, oder melancholische. Vieles in der elektronischen Musik, das ich kenne, ist mir nach wie vor zu monoton.
Du veröffentlichst auf Antime – wie bist du zu dem Label gekommen, wer gehört noch alles dazu und was zeichnet Antime aus?
Die beiden Köpfe hinter Antime sind langjährige Freunde von mir. Wir und auch ein großer Teil der Künstler auf Antime, sind zusammen in Niederbayern aufgewachsen.
Mit Martin spiele ich seit 2004 bei pandoras.box. Da ist es ganz natürlich, dass ich auf Antime veröffentliche. Wir sind Kumpels. Mittlerweile sind einige neue Künstler auf Antime, beispielsweise der Österreicher Fontarrian oder der Brasilianer ^L_, die ich persönlich noch nicht kenne (Fontarrian habe ich nur mal kurz Hallo gesagt). Aber mit dem Großteil der Musiker, Kalipo, Spur, Abigail, Aplysia, Modemaps, Andreas Buchner bin ich seit vielen Jahren befreundet. Das ist auch schon mal eine Sache, die Antime auszeichnet. Der freundschaftliche, kumpelhafte Austausch untereinander. Außerdem zeichnet es sich für mich dadurch aus, dass wir alle im Großen und Ganzen eine ähnliche Vorstellung von guter Musik haben. Antime ist denke ich offen für bzw. bevorzugt experimentiellen, tiefgründigen, detailreichen Sound, ohne sich irgendwelchen Genregrenzen unterzuordnen.
Man findet online zwar auch Mixe von dir, doch du spielst eher live denn als DJ, richtig? Wie sieht dein Live-Setup aus und gibt es dich vielleicht doch bald auch häufiger an den Decks zu sehen?
Das stimmt. Ich sehe mich aktuell definitiv als Musiker, nicht als DJ. Ich habe auch bisher noch nie in einem Club oder Ähnliches aufgelegt. Allerdings macht es mir ziemlich viel Spaß Mixes zusammen zu stellen. Ich hätte sicher Freude daran die Musik, die ich liebe, anderen Menschen vorzuspielen. Daher könnte ich mir schon vorstellen mich in Zukunft auch als DJ zu versuchen. Aber da müsste ich mich erstmal besser in das Thema einarbeiten. Mein Liveset ist bisher ziemlich minimalistisch. Es beruht komplett auf Ableton Live, welches ich mit einem Novation Launchpad und einem Korg Nanokontroll steuere. Ich habe darin die Tracks mehr oder weniger in ihre Bestandteile zerlegt und kann sie somit live aufbauen wie ich gerade will und dann Effekte, Filter etc. bedienen. Kennt man ja heute von vielen, vielen elektronischen Artists. Ich wollte schon immer mehr Hardware einsetzen um das Macbook etwas in den Hintergrund rücken lassen. Zu meinem 30. haben meine Familie und viele Freunde zusammengelegt und mir tatsächlich das Objekt meiner Begierde, einen Elektron Octatrack geschenkt. Totaler Wahnsinn! Der soll nun in Zukunft der Mittelpunkt meiner Sets werden.
Unifono – Take A Break (live)
Wie hast du die Tracks für deine Debüt-EP “Refraiming” auf Antime ausgewählt, wie sah die Arbeit daran aus und wie lange hat sie gedauert?
Diese 5 Tracks wählte ich für die EP aus, da sie relativ zeitnah zueinander und in einer ähnlichen Arbeitsweise entstanden sind. Daher hatte ich das Gefühl, dass sie vom Feeling und vom Stil her gut zusammen passen. Mein Stil ist denke ich recht wankelmütig, je nachdem auf welchen Sound ich gerade stehe oder mit welchen Tools (Plugins etc.) ich mich beschäftige. Ich hatte mir gerade das Launchpad zugelegt und war von Logic pro auf Ableton live umgestiegen. Mein Ziel war damals, die Tracks weniger mit der Maus zu arrangieren („Kästchenschieben“), sondern eher „live“ als Momentaufnahme entstehen zu lassen. So sind alle EP Tracks arrangiert worden. Klar, nachher schiebt man sich das dann immer noch etwas zurecht, aber meistens bleibt der Aufbau im Wesentlichen so bestehen. Für mich fühlt sich das intuitiver an und erspart Zeit. Die Entstehung und das Arrangieren der Stücke dauerte nur wenige Wochen. Allerdings habe ich dann viele Monate immer wieder mal am Mix etwas rumgedreht, die Tracks aber nie zielstrebig fertig gemacht. Nebenbei macht man ja auch ständig neues Zeug, das einem in dem Moment dann schon wieder interessanter erscheint. Schließlich habe ich die EP einem Freund gegeben, von dessen musikalischen und mixtechnischen Fähigkeiten ich voll überzeugt bin und der hat das dann für mich 1A gemischt.
Zu dem Track “Flight Of Fancy” gibt es auch ein tolles Video.
Das Video hat ein Freund gemacht, der mit meinem kleinen Bruder aufgewachsen ist. Er heißt Matthias Pfeiffer und studiert Mediendesign. Unter dem Pseudonym Pupillendriller hat er auch bereits zwei Videos für Kalipo gemacht (zum Beispiel für dessen aktuelle Single “Lux“). Das Video besteht vollständig aus Aufnahmen, die er während eines mehrmonatigen Spanienaufenthaltes gefilmt hat. Zirka neunzig Prozent der Aufnahmen sind allein auf einer Zugfahrt von Valencia nach Barcelona entstanden. Ich finde es absolut spitze. Ich finde, die Bilder passen perfekt zur Stimmung des Sounds. Vor allem dieser Spiegeleffekt, den er mehrfach einsetzt, begeistert mich.
Vielen Dank für deinen Mix! Wie und wo hast du ihn aufgenommen und gab es eine bestimmte Idee dazu?
Sehr gerne. Ich habe ihn daheim aufgenommen. Ich habe die Tracks einfach in mein Liveset in Ableton kopiert und den Mix mit meinen Controllern erstmal improvisiert. Später habe ich die weniger gelungenen Übergänge per Maus nachgebessert. Eine grundlegende Idee dahinter gab es nicht, ich habe einfach eine handvoll Lieblingstracks zusammengeschustert,
von denen ich glaube, dass sie gut zusammen passen und einen homogenen, aber abwechslungsreichen Mix ergeben. Dazu natürlich zwei Stücke meiner aktuellen EP um ein bisschen Werbung in eigener Sache zu betreiben.
Wo kann man dich demnächst mal wieder live erleben?
Ehrlich gesagt weiß ich es selbst noch nicht. Das betreibe ich bis dato sehr spontan. Wenn sich die Möglichkeit ergibt und ich Zeit habe, dann spiele ich. Bisher auch überwiegend in heimischen Gefilde. In nächster Zeit will ich vor allem am neuen Attune Album arbeiten (ein Trip-hop, Downtempo Projekt mit zwei meiner Brüder) und das dann mit einer kompletten Bandbesetzung einstudieren und live spielen. Das ist bei mir schon etwas länger her und ich vermisse es mit anderen Musikern zusammen zu spielen. Möglicherweise ergibt sich in nicht zu allzu ferner Zukunft auch wieder etwas mit pandoras.box.
Tracklist
1. Christian Löffler – Blind
2. Attune – Rising (Alex Q RMX)
3. Alex Banks – Initiate
4. Jon Hopkins – Vessel (Four tet RMX)
5. Swayzak – Smile And Receive (Apparat RMX)
6. Unifono – Flight Of Fancy
7. Moderat – Last Time (Jon Hopkins RMX)
8. Kalipo – Take Care Of Your Paradise
9. Radiohead – Lotus Flower (Jacques Greene RMX)
10. Unifono – Wrong Order
Unifono kann man bei Facebook und Soundcloud folgen.
Titelfoto: Armin Thalkammer