Markus Lindner alias Delfonic ist so etwas wie ein DJ’s DJ. Zwar produziert der Berliner seit vielen Jahren Musik für Werbefilme, doch auf dem Dancefloor gab es bislang kaum eigene Produktionen von ihm zu hören. Aber genau dort präsentiert Delfonic seit Jahren als DJ voller Hingabe die Musik anderer, lässt sich dabei genauso schwer stilistisch eingrenzen wie der berühmte Pudding an die Wand nageln, und drückt den beiden Clubs Gretchen und Farbfernseher in schöner Regelmäßigkeit als Resident seinen musikalischen Stempel auf. Unter der Woche arbeitet Markus als einer von drei Geschäftsführern in den beiden Oye-Plattenläden Prenzlauer Berg sowie Kreuzkölln, und ist eng mit dem Label Box aus Holz verbunden, von welchem es in seinem Mix auch einige exklusive, bislang unveröffentlichte Tracks zu hören gibt.
Wir sprachen mit Delfonic über seine Residencies, Stilvielfalt, seine bisherigen musikalischen Highlights des Jahres und wann endlich mit eigenen Produktionen von ihm zu rechnen ist. Obendrauf gibt es seinen anderthalbstündigen Ashorecast #19, der den Bogen von entspanntem HipHop über House bis hin zu Bob Marley spannt.
Markus, du hast in Berlin als Veranstalter gestartet und bist erst später auch selbst DJ geworden. Was war es, das dich neben dem musikalischen Vertrauen in dich selbst an die Decks getrieben hat?
So richtig Veranstalter war ich ja nicht wirklich. Als ich 2001 nach Berlin gezogen bin, habe ich als erstes als Praktikant in einer Eventagentur gearbeitet, die viel Filmpremieren veranstaltet hat, was an sich ganz was anderes ist, als Clubabende zu organisieren. Später habe ich mit ein paar Freunden die „Duscholux“-Partys veranstaltet, die eher illegal waren. Als DJ habe ich das erste Mal auf dem Schulball 1995 gespielt und habe gemerkt, dass mir das Spaß macht und ich die Leute ganz gut zum Tanzen bringen kann. Das Gefühl, dass man mit Musik eine Geschichte erzählen und einen Spannungsbogen aufbauen kann, finde ich immer noch aufregend.
Früher warst du Resident im Grünen Salon und Icon, heute im Gretchen und Farbfernseher. Wie unterscheiden sich diese beiden Residents und was schätzt du jeweils an den beiden Clubs? Und hast du auch Einfluss auf das Booking an den Abenden, wo du mit auflegst?
Aus der Perspektive eines DJs könnten Farbfernseher und Gretchen nicht unterschiedlicher sein. Im Gretchen ist das Soundsystem richtig massiv und fett – alle, die vor zwei Jahren einmal da waren, sollten sich das mal heute geben. Und das Line-up im Gretchen ist viel Internationaler und eklektischer. Es passiert oft, dass ich an einem Freitag eher Downbeat und Broken Beats spiele und an einem Samstag dann House und Techno. Im Farbfernseher sind die Leute eher zum Abhängen, was trinken und flirten da. Da ist die Musik oder der DJ nicht so im Mittelpunkt. Beides finde ich schön zu bespielen, da es mir Freiheiten gibt und man nicht so oft mit Erwartungshaltung zu kämpfen hat. Im Gretchen ist es zum Beispiel auch so, dass ich mit Lars, dem Betreiber und Booker, oft das Booking bespreche und auch mal den Daumen nach unten zeige. Die ganzen anderen Residents im Gretchen habe ich zum Beispiel auch angeschleppt.
Du bist einer von drei Inhabern von Oye, hast täglich unzählige neue Releases auf dem Schirm und bekommst etliche Promos. Gehst du trotzdem noch anderswo Diggen und auf Flohmärkte? Und wenn ja, was sind neben Oye die besten Orte für deine Suche nach spannender neuer und alter Musik?
Ich habe leider keine Zeit mehr, woanders zu diggen, außer ich bin unterwegs in anderen Städten. Und ansonsten bekomme ich alles, was ich haben will, über Oye – auch sehr viel Second-Hand-Vinyl, da wir noch tausende Platten im Backstock haben, die wir Woche für Woche rausstellen.
Oye-Plattenladen (Oderbergerstr. 4, Berlin)
Du produzierst seit langem schon Musik für Werbespots, doch ein klassisches Dance-Release gibt es bislang nicht von dir. Ist damit bald zu rechnen? Und falls ja, in welche musikalische Richtung wird es gehen?
Es kommt jetzt bald ein Edit für Daniel Grau, den ich mit Max Graef gemacht habe, auf Sonar Kollektiv heraus. Und dann wird wohl was auf Box aus Holz folgen. Es liegen noch ein paar Tracks rum. Grundsätzlich habe ich leider nicht mehr viel Zeit, um Musik zu machen, und ich bin eher jemand, der das in Zusammenarbeit mit Künstlern macht, die ich schätze.
Als DJ bist du musikalisch extrem breit aufgestellt und hattest auch mal zwei verschiedene Alias für deine Sets. Mittlerweile ist es nur noch Delfonic, richtig? Würdest du sagen, das Publikum in Berlin (oder generell) ist in den vergangenen Jahren wieder offener geworden und erlaubt mehr stilistische Freiheiten? Du kommst als DJ viel rum, was ist dein Eindruck?
Also ich habe schon das Gefühl, dass die Leute wieder offener damit umgehen, wenn ein DJ etwas eklektischer spielt. Ich habe letztens in der Renate gespielt und immer wieder Afro oder Disco in mein House/Techno-Set gemischt, danach kamen einige an und fanden das toll, dass jemand nicht die ganze Zeit den gleichen Style fährt. Aber so habe ich das schon immer gemacht. Ich bin aber der Meinung, dass man nichts übers Knie brechen sollte und die Crowd erstmal an die Hand nehmen sollte und dann, wenn sie bereit sind, kommen richtig gute Momente der Euphorie.
Delfonic im ausführlichen Interview mit berlinmusic.tv
Die erste Hälfte 2014 ist vorbei. Was waren deine musikalischen Highlights bezogen auf Alben, Singles und Konzerte/Partys? Und was waren einige deiner persönlich besten Nächte hinter den Decks?
Musik mässig ist ganz klar Max Graef-Album ein grosses Highlight. Und natürlich die Box aus Holz– und Torben-Releases. Dieses Schmutzige und auch Rumpelnde ist wirklich sehr schön. Ansonsten ist es echt krass, wie viel tolle Musik dieses Jahr rausgekommen ist. Es sind einfach fast zuviel gute Platten, um sie alle zu nennen.
Als Gig würde ich sagen, dass das B2B-Set in London mit Max Graef ein tolles Erlebnis war. Außerdem das Meadows in the Mountains Festival in Bulgarien, das ich mit Hrdvsion bestritten habe, und es waren auch Moomin, Albrecht Wassersleben von Uncanny Valley und Will von Resident Advisor mit seiner Freundin dabei, die alle super Sets gespielt haben. Im Gretchen mit Bonobo war wieder mal ein Highlight, denn das Publikum war sehr sehr open minded und das hat sehr viel Spaß gemacht. Der Abend, an dem ich mit Hrdvsion an einem Sonntagabend bis Montagfrüh in der Renate gespielt habe, war auch echt krass. Acht Stunden B2B und auf einmal spielst du Jungle um sechs Uhr morgens und die Leute rasten aus.
Vielen Dank für deinen Mix – wo hast du ihn aufgenommen, und gab es eine bestimmte Idee oder ein Konzept dazu?
Den Mix habe ich mit dem Laptop gemacht, da ich ein paar unveröffentlichte Sachen mit reinnehmen wollte, die bald auf Platte rauskommen, aber leider noch keine Testpressungen verfügbar sind. Den Rest habe ich von Vinyl überspielt. Wie immer bei solchen Mixen, fange ich deep und langsam an, und nach und nach wird es etwas clubbiger.
Wo kann man dich demnächst auflegen hören?
Beim Splash Festival, Feel Festival, Soundwave Festival, im Prince Charles, in der Panorama Bar und natürlich fast jede Woche im Gretchen. Und es werden immer andere Sets gespielt – ich will mich ja nicht langweilen.
Tracklist
1. Intro – Box aus Holz Shoutouts
2. upcoming Box aus Holz
3. upcoming Box aus Holz
4. Lone – 2 is 8
5. K15 – Bordeaux (Glenn Astro & IMYRMIND RMX)
6. Teason & The Waves – oh yeh soweto
7. upcoming Box aus Holz
8. Beastie Boys – Shambala
9. Can – Vitamin C
10. upcoming Box aus Holz
11. Wayne Snow Red Runner (Glenn Astro & Imyrmind Rmx)
12. Floating Points – King Bromeliad
13. Les Sins – Grind
14. Lone – Restless City
15. Jay Daniel – Royal Insanity
16. Mr. Tophat & Art Alfie – Karlssons Dub
17. Leibniz – Youandme
18. Glenn Underground – Afro Gente Dub
19. Nightmares On Wax – Aftermath (Special Request Redux)
20. Jamie XX – All Under One Roof Raving
21. Bob Marley – Is It Love (Danny Krivit Edit)
22. Outro – J Dilla
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