Wo andere DJs oder Produzenten in ihrer Biografie mit komplizierten Sätzen den Weg von der elterlichen Plattensammlung bis ins Jetzt nachzuzeichnen versuchen, hält sich Stanley Schmidt aus Leipzig lieber knapp. “House” steht da ganz schlicht und auf den Punkt gebracht. Denn House ist der Boden, auf dem er sich immer bewegt, von wo aus er Ausflüge in Sachen Techno, Ambient oder Disco unternimmt. Wer einmal in den Genuss eines seiner Marathon-Sets bei den Homopatik-Partys im ://about blank oder anderswo kam, wird davon ein Lied singen können. Doch das Auflegen alleine reicht Stanley, der eigentlich Jonas heißt, schon seit langem nicht mehr. Mit seinem Podcast-Projekt Schmidtcast gab er auch anderen DJs eine Bühne, gründete zusammen mit Freunden das Label Rivulet Records und veröffentlichte vor kurzem mit “Movement Soul” einen Track auf der ://about blank 001 Compilation. Wir sprachen mit ihm unter anderem darüber, wie er zum Auflegen kam, was man bei einem 8-Stunden-Set beachten sollte und warum der Schmidtcast derzeit leider brach liegt. Obendrauf gibt es einen wunderbaren, anderthalbstündigen und gemixten Trip von Ambient über Folk bis – na klar – House.
Jonas, deine Biografie hält sich knapp und besteht nur aus dem Wort “House” – kannst du uns verraten, wann du den für dich entdeckt hast und was dich zum Auflegen gebracht hat? Und was war zuerst da, das Weggehen, das Auflegen oder das Produzieren?
Zum Auflegen gebracht hat mich eigentlich meine Antifa-Vergangenheit. Ich habe damals immer die Musik für die Kundgebungen unserer Gruppe ausgewählt und bin dann beim Suchen auf so alte Electro-Punk-Sachen gestoßen, die mich ziemlich angefixt haben. Ab da war der Weg in ein paar alternative Clubs in Berlin nicht mehr weit, wo ich dann das erste Mal „Minimal“ hörte und beschlossen habe, dass ich das auch machen will. Wenn man dann damit anfängt, trifft man natürlich schnell Leute, die das schon länger machen und einem ein bisschen über die Schulter schauen können. In meinem Fall war das Lars Goldammer, der mir eigentlich alles, was Platten mixen angeht, gezeigt hat und auch musikalisch ein wichtiger Einfluss für mich war. Wir sind heute noch Mitbewohner und gute Freunde und legen auch noch manchmal zusammen auf. Ohne ihn wäre ich wohl heute nicht da, wo ich bin.
Als Homopatik-Resident spielst du im ://about blank regelmäßig sehr lange, teils acht oder mehr Stunden lange DJ-Sets. Wie bereitest du dich auf solche Marathon-Sets vor und gibt es eine Zeit, die du bei einem Booking mindestens spielen möchtest, weil weniger für dich keinen Sinn macht?
Ja, das stimmt, bei der Homopatik hat man die Möglichkeit, sich als DJ so zu entfalten, wie das heute nur noch bei sehr, sehr wenigen Partys der Fall ist. Ich merke aber auch, dass eine gute Vorbereitung für so lange Sets sehr wichtig ist. In der Regel fange ich eine Woche vorher an, mir Platten rauszusuchen, die ich spielen möchte und besuche nochmal die drei Plattenläden, in denen ich in Leipzig regelmäßig bin. Glücklicherweise liegen die sehr nah beisammen, so dass das immer ein entspannter Spaziergang ist. Das gute bei so langen Sets ist, dass du nicht acht oder mehr Stunden durchbrettern musst. Die lange Zeit gibt dir die Möglichkeit, wirklich eine eigene Dramaturgie in die Party zu bringen und die sieht bei mir meistens so aus, dass ich zwischendurch auch mal zwei oder drei Stunden langsamere, deepe Platten spiele und ein bisschen das Tempo rausnehme. Das wissen die Leute inzwischen bei mir und ich habe das Gefühl, dass viele auch dankbar sind, zwischendurch mal an einen Punkt gebracht zu werden, an dem sie auch ekstatisch zu einer Deep-House-Platte bei 109 BPM tanzen können.
Ansonsten ist natürlich wichtig, dass man bei so langen Sets an seinen Körper denkt, das heißt: vorher gut schläft, sich ein paar geschmierte Schnitten mit in den Club bringt und genug trinkt. Aber das sollte man ja auch machen, wenn man zwölf Stunden tanzen geht. Ich versuche natürlich bei Booking-Anfragen die maximale Spielzeit zu bekommen, aber das ist nicht immer möglich. Zwei Stunden ist schon die Untergrenze, ich bin aber auch jemand, der die Vorzüge eines kurzen Sets zu schätzen weiß. Dann hast du halt die 3 Stunden und musst in der Zeit das beste machen, was du schaffst. Das kann auch schon Spaß machen!
Mr Ties & Stanley Schmidt
Auf www.schmidtcast.blogsport.de hattest du deine eigene Podcast-Reihe und regelmäßig befreundete DJs nach Mixen gefragt – seit 2013 ruht der Blog, wieso?
Ja, das ist so ein Ding. Ich war an irgendeinem Punkt unzufrieden mit der punkigen Art, mit der ich das damals gemacht habe, ein selbstzusammengeschusterter Blog, immer neue Soundcloud-Profile und so weiter. Ich habe seit langer Zeit den Plan, das Projekt wieder aufzunehmen und ein bisschen professioneller weiterzumachen, aber irgendwie fehlt mir da gerade die Zeit. Aber es sprechen mich immer wieder Leute, wie ihr ja auch, darauf an, und das zeigt mir, dass noch Interesse da ist. Ich hoffe, ich komme bald dazu, den großen Relaunch zu machen.
Stanley Schmidt beim Goûtez Electronique in Nantes, Frankreich (15.6.2014)
Du bist einer der Gründer von Rivulet Records. Wer steckt noch dahinter? Was war euer Ansporn für das Label und wie zufrieden seit ihr bisher mit eurem Projekt? Wo wird es für Rivulet in Zukunft hingehen?
Außer mir stecken da noch mein DJ-Buddy Depart, Lars Goldammer, unser gemeinsamer Freund Max und unsere Grafikerin Maria Wallenstein dahinter. Wir haben das damals als Kollektiv gegründet und arbeiten auch immer noch so, Plenum, Konsensprinzip etc. Wir hatten damals einfach die Intention, Platten machen zu wollen, jeder aus seiner ganz eigenen Motivation. Inzwischen ist aus dieser fixen Idee ein Recht gut funktionierendes Label geworden, worauf wir alle recht Stolz sind. Für mich ist es einfach das Gefühl, wenn ich jemandes Musik mag, einfach mal nach einer Promo zu fragen und die Möglichkeit zu haben, etwas tatsächlich auf Vinyl pressen zu können, wenn ich es gut finde, was mich ziemlich stolz macht. Kommenden Monat steht unsere nächste Veröffentlichung an, eine EP eines Trip-Hop-Produzenten namens Skipless, für den unsere Freunde Johannes Albert, M.ono und Jason vom WHITE-Label Remixe gemacht haben.
Als Produzent hast du bislang nur auf Rivulet veröffentlicht – wird es bald auch woanders etwas von dir zu hören geben?
Gerade ist ein Track von mir auf der ://about blank 001-Compilation erschienen, mein erstes Auswärtsspiel als Produzent sozusagen. Es gibt Überlegungen mit verschiedenen Freunden, die auch Label betreiben, da wird dieses Jahr auf jeden Fall noch was kommen, aber da darf ich noch nicht zu viel verraten.
Du wohnst hauptsächlich in Leipzig, bist du zufrieden mit der elektronischen Musikszene der Stadt? Was macht Leipzig besonders, aber was sollte sich auch unbedingt ändern?
Ja, unbedingt, Leipzig ist großartig. Gerade hat die Clublandschaft durch das IFZ eine unglaubliche Bereicherung bekommen, an und in der ich natürlich auch ein bisschen mitmischen werde, wenn sich die heiligen Hallen dann hoffentlich bald wieder öffnen. Ansonsten habe ich das Gefühl, dass momentan unglaublich viel über Leipzig und die Szene hier gesprochen wird. Es entsteht unglaublich viel, es gibt unglaublich viel Raum für alle. Aber ich finde, man sollte das auch nicht totreden, lieber einfach machen und gucken, was bei rauskommt. Das ist so der Leipzig-Spirit für mich.
Stanley Schmidt – Snōi (Split EP, Rivulet 004)
Vielen Dank für deinen Mix – wo hast du ihn aufgenommen – und gab es eine bestimmte Idee oder ein Konzept dazu?
Den Mix habe ich zu Hause in dem Studio gemacht, das ich mir mit Lars teile. Es gab tatsächlich eine bestimmte Idee, oder vielmehr eine Stimmung, die ich einfangen wollte. Ich habe in letzter Zeit viel Ambient und Electronica gehört, alte Aphex Twin-Sachen, die ersten Alben von Boards Of Canada und zwischendurch lustigerweise auch so sehr melancholische und langsame Blues-Platten wie Heated Land oder William Adamson. Für mich hatte das irgendwie einen Zusammenhang, der musikalisch wahrscheinlich sehr schwer nachzuweisen ist, der aber stimmungsmäßig auf jeden Fall da ist. Und dem wollte ich in meinem Mix Ausdruck verleihen. Zwischendrin bin ich dann natürlich doch wieder bei House gelandet, weil das für mich einfach der Boden ist, auf dem ich mich immer bewege, aber es sind Platten, die für mich alle in diesem Kontext stehen, der natürlich nicht mehr ist als meine eigene Idiosynkrasie. Ich habe diesmal zum ersten Mal auch mit Ableton gearbeitet, in dem ich Vocal-Samples geloopt und bearbeitet und zwischendurch live mit in den Mix gemischt habe. Ansonsten ist es aber ein herkömmlicher Vinyl-Mix.
Wo kann man dich demnächst auflegen hören?
Natürlich jeden dritten Freitag im ://about blank, ansonsten freue ich mich besonders auf ein Festival in Emden im August, auf dem ich spiele und eine kleine Israel-Tour im September.
Tracklist
Folgt… oder auch nicht. Viel Spaß beim Raten!
Stanley Schmidt kann man auf Soundcloud und Facebook folgen.