„Musik ist eine Baustelle, die nie fertig werden darf.“ Ein Satz, der sich bei mir eingebrannt hat. Ob er von ihm selbst stammt oder jemand anderem, das weiß ich gar nicht so genau, doch gelesen habe ich ihn bei Oliver Goldt. Meinem persönlichen Prototypen von einem DJ’s DJ aus Halle an der Saale. Einer, der ständig auf der Suche nach neuem Input ist, dem eine musikalische Schublade viel zu wenig ist, der sich stattdessen lieber gleich eine ganz Schrankwand von Ambient bis Metal zimmert und als DJ wirklich jeden Floor rocken kann. Doch ganz besonders seine House- und Techno-geprägten Sets sind stets kleine Offenbarungen, sichere Köter für Deck-Sharks und Endophinspender für den Dancefloor zugleich. Doch nicht nur mit Platten hat er’s, sondern auch mit Worten. Perfekte Kombi also, um Oliver nicht nur um einen Mix für unseren Ashorecast zu bitten, sondern auch gleich noch einige Fragen zu sich, seiner Heimat Halle und dem Auflegen im Allgemeinen zu stellen.
Oliver, die Musik scheint dich verdammt früh gepackt zu haben, doch wann genau hat es Klick gemacht? Bist du in einer musikalischen Familie aufgewachsen und mit drei Jahren zum Geigespielen verdonnert worden?
Ich hörte, Klampfenbüffel James Hetfield wurde von seiner musikalisch ausgebildeten Mutter zu Klavierstunden genötigt. Er hasste es. Heute ist diese frühe Nötigung dafür verantwortlich, dass er ein Lied hört und dies pronto auf der Gitarre nachspielen kann, sagt er. Irre, was?
Ich bekam eine kleine akustische Gitarre von meinem Onkel zur Schuleinführung. Die Nötigung blieb aus. Die Eigennötigung schaffte es leider auch nicht über Gezupfe und Gemosche hinaus. Luftgitarre spielen, beziehungsweise mit dem Ding posen, da war ich Meister. Meine Eltern, vor allem mein Vater, gehörten zur Fraktion “alles brotlose Kunst”, leider. Sie waren nicht musikalisch im Sinne, dass mir da singend und spielend etwas vorgelebt wurde. Musik hat mich aber als Kind schon immer fasziniert. Musiksendungen wie Disco, Hitparade, Ronny’s Pop Show, Formel 1, später MTV & Viva 2 etc. waren meine Straßenfeger. Ich habe sogar kleine Gitarren nachgebastelt aus dieser Ost-Brenn-Knete Suralin. Nach Radio war ich süchtig als Teenager, frühes diggen war bei mir, so lange den Knopf drehen bis ich ein geiles Lied fand, ich war damals schon sehr wählerisch. Dank DT64 und Sendungen wie “Electronics”, “Duett Musik für den Recorder” und “Paroktikum” musste ich dann weniger den UKW-Podi malträtieren.
Klick macht es immer wieder aufs Neue irgendwie.
Seit 1999 legst du auch House, Techno und Co. auf. Wie wurdest du schon davor zum DJ und wie bist du dann zur elektronischen Tanzmusik gekommen?
Ich habe immer schon Platten gesammelt, irgendwann wollte ich das eben auch machen. Das Kassablanca in Jena war da ein entscheidender Faktor, vor allem weil ich da gesehen und gehört habe, wie man Stile wie Jazz, Soul, Funk mit neuen Sachen kombinieren kann, beziehungswiese wie sehr das alles zusammengehört. House und Techno fand ich anfangs doof. Es gab da so Shirts mit Slogan “Tech-NO”. So einer war ich. Indie, Punk, Hardcore und etwas guten Metal wie Pantera, das war mein Gemüse. Herbert und Aphex Twin sowie Chemical Brothers, Prodigy, Portishead, Drum’n’Bass, Trip-Hop und so weiter haben dann dafür gesorgt, dasss ich nicht vom Fleisch falle. Und natürlich ist 90s-Hip-Hop das Ding!
Seit einigen Jahren lebst du mit deiner Familie in Halle an der Saale. Wie würdest du die “Kulturelle Lage” (Konzerte, Partys, alles) der Stadt im Allgemeinen und im Speziellen die elektronische Szene einschätzen/bewerten?
Halle ist schwierig, man kann das nicht mit Jena oder Leipzig vergleichen. Hier weht eine gewisse Leute-Ruffness, you know… Aber natürlich, geht hier in den Nischen was außer Billigbummselektro. Ich leiste ja auch einen kleinen Beitrag dazu.
Also wenn man auf Erwachsenen-Musik steht, kommt man hier in Halle ganz gut auf seine Kosten. Im Objekt 5 zum Beispiel, ein toller Laden übrigens, spielt jede Woche so ein kleiner Dylan oder ‘ne Joplin. Im Charles Bronson, dem Pudel Club mit Kater-Holzig-Edge von Halle (wenn man das so sagen kann, hehe), kann man sich jedes Wochenende elektronisch versohlen lassen.
Du bist Resident im Charles Bronson in Halle. Für jemanden, der noch nie da war: Wie kann man sich den Club vorstellen und warum sollte man unbedingt mal hin?
Ok, so ein bisschen habe ich die Baracke ja schon beschrieben. Es ist ein prima Laden, mit einem schönen Außenbereich, eher klein und gemütlich und gar nicht unbedingt sehr szenig. Ich lege da gern auf, bin da aber glaube ich sowas wie ein Vinylexot und mein Sound ist ein anderer als der, der sonst den Laden prägt.
Gemeinsam mit Shape veranstaltest du auch die Partyreihe Subwerk sowie hin und wieder andere Veranstaltungen – wie werden diese in Halle angenommen, was ist euer Antrieb und was passiert 2014 in Sachen Veranstaltungen bei euch?
Ja, Subwerk und Shave Gruboldt Quartett (DJ Team), das ist Goldt & Shape. Es ist gerade etwas schwierig, also nicht zwischen uns. Wir haben einige Veranstaltungen in der Goldenen Rose gemacht, die waren richtig gut, aber auch echt rudimentär. Mit Subwerk wollten wir weiter gehen im Charles. Wir müssen mal schauen, ob da noch Platz für uns ist. Die ersten drei Fatschen mit Onetake, Leibniz und Freund der Familie haben sich sehr gut angefühlt. Es wird auf jeden Fall eine Zukunft für Subwerk geben. Lost Places und AcidTube wären da ja auch noch…
Außerdem spielst du regelmäßig eine ganze Nacht alleine im Theatercafé Jena zur “Freude am Goldt”. Dieses Konzept (1 Nacht, 1 DJ) ist heute zur echten Seltenheit geworden – war es schwierig, das in Jena zu etablieren?
Nein, die Stadt Jena weiß ja, glaube ich, was sie an mir hat. Den ganzen Abend all night long Egoshoot durch einen elektronischen Reichtum ist ‘ne prima Sache. Sechs, sieben Stunden Reise mit nettem Publikum und einem Zugführer ist toll. Ich lege sehr gern mal länger auf als nur die üblichen zwei bis drei Stunden. Gerade da kann man der Vielseitigkeit im Kopf viel mehr Raum geben. Im Theatercafé ist der perfekte Rahmen dafür, obwohl… mal im Kassa ganz allein die ganze Nacht auflegen, das wäre auch nicht schlecht. Nein, Fakt ist aber, im Kassa spiel ich definitiv am liebsten in Jena, so sehr ich das TC und ihre Betreiber auch schätze.
Was zeichnet für dich einen guten DJ aus?
Die Leude wollen, dass was passiert, die Leude wollen, dass Bass massiert und zwar emotional und aktional. Er muss sich und die Menschen, die lauschen, auf eine musikalische Reise mitnehmen können, sie berühren und nicht nur für kurze Zeit mästen, egal ob mit Zwischenstops oder schön durchgehämmert.
Vielen Dank für deinen Mix, wo und wie hast du ihn aufgenommen, und inwieweit unterscheidet er sich eventuell von deinen regulären Clubsets?
Ich wollte im Februar einfach mal einen frühsommerlichen Für-draußen-Clubmix aufnehmen, wo kurz mal ‘ne derbe Acidhusche abregnet und sich am Ende ein paar in den Armen liegen. Das habe ich einfach für ashore zu Hause in einem Take ohne Nachbereitung gemacht. Ist also wie im Club, wo keiner drüberbügeln kann. Das ist ‘ne typische Goldt-Nummer.
Tracklist
1. Misa Negra – Spiritual Vibes (Original Reprise)
2. Dom – Fackeln im Sturm (Jürgen Paape rmx)
3. Daniel Bell – Warped
4. Kerri Chandler – In The Morning (Lost Love Dub)
5. Daniel Lui – Big Smoke Nights Vol 2 (Stephane Vera Reconstruction)
6. Chris Simmonds – Club Trance (Mike Huckaby’s Snoring In Detroit Mix)
7. Tang – Transluence
8. Korsakow – Sun Of A Gun
9. Galcher Lustwerk – Capabilities Survey
10. Breach/Midland – Somewhere
11. Fat Cat – You Figure It Out
12. Jackmaster Curt – Real Fresh House
13. Titonton Duvante – Avenues
14. DJ Fett Burger & DJ Speckgürtel – Speckbass
15. Moodymann – Sunday hotel
16. The Costal Commission- Straight No Chaser
17. Martyn – Left Hander
18. Live Line – 2 Luvs (Instrulove Mix)
19. Onoe Caponoe – 1311 (DJ Rum Rmx)
20. New Order – All Day Long
21. Style Council – A Stones Throw Away
Oliver Goldt kann man auf Soundcloud oder seiner Website folgen.
Fotos: Lena Kunz