Einer meiner absoluten Lieblingsproduzenten und Musiker ist Indie-Legende Mr. Analog & Mr. Roh Steve Albini (Mastermind von Bands wie Big Black und Shellac). Er selbst bezeichnet sich lieber ganz bescheiden als Recording Engineer. Doch Meilensteine wie Surfer Rosa (Pixies), Seamonsters (The Wedding President), Pod (The Breeders), In Utero (Nirvana), Ride Of Me (PJ Harvey), Times Of Grace (Neurosis) oder Yanqui U.X.O. (Godspeed You! Black Emperor) sind allesamt durch seine Bandmaschinen gerattert. Vor allem ein trockener, warmer und deftiger Wumms-Drumsound ist signifikant für seine typische Handarbeit. Überdrüssig von digital komprimierter Cleanheit und ProTools gibt es seit geraumer Zeit in der elektronischen Musik eine Renaissance roher Sounds und erdiger Rhythmen, die so klingt, als hätte Steve die Regler bedient. Aber nein, es sind Produzenten oft erstaunlich jung, die mir vorkommen, als ob sie von Ihren Eltern nur Albini-Platten zu hören bekamen. Manchmal klingen deren Derivate, als kämen sie aus abkokelnden Lautsprechern hervor gefeuert. Ich freue mich sehr über den Mut zur Rohheit. Wenn dann der Hörgenuss nicht nur auf-Teufel-komm-raw hinaus läuft, das heißt, tolle musikalische Ideen und Groove den Sound tragen, dann läuft die Schose im Herzen von Mr. Goldt. So wie bei diesem Biest von Album.
Millie & Andrea ist ein Projekt der Modern Love-Labelkollegen Andy Stott und Miles Whittaker (Demdike Stare, Pendle Coven). Mit bloßen Händen zerdrücken die Beiden sämtliche Glühbirnen und machen aus deinem Kopf einen Fieldrecorder. Der Bass gibt dir Leben in einem Kellerloch. Das da unten so viel passieren kann: Jungle, Rave, Dubstep, House, Ambient, Drone, alles poltert darin, ist erstaunlich. Da kommt dann wohl auch der Sauerstoff her. Acht Tracks, keiner gleicht dem anderen, und trotzdem ist es ein Album wie aus einer Schmelze. Man wird versohlt, in den Dreck geschmissen und an den Haaren wieder herausgezogen.
Einziger Punktabzug: Clear Vinyl mit mehr als einem Track pro Seite wird für auflegende Schallplattler zur visuellen Großtat zur weiteren Handhabung. Ein perfekter Lichteinfallwinkel und Augenhochleistung ist von Nöten. Ok, es ist eh so dunkel, man hat ja die Grubenlampe bei sich. Das Produkt ist auch in schwarz vorrätig, ähm, passend zur Musik…
Wer Oliver Goldt mal beim Diggen über die Schultern geschaut hat, weiß, welche Formen der Jäger- und Sammlertrieb auch nach etlichen Jahren und zig Regalen voll des Schwarzen Goldes noch annehmen kann. Seine Sets stecken nicht ohne Grund voll ungehörter Schmuckstück-Buden. A DJ’s DJ, der auch schreiben kann – danke, Olli!