07.03.2016  /  Sascha  /  Kategorie: Mix der Woche

Konkrit

Wie würde der Boy sagen: Antime ist ein Movement, das am moven ist. Seit 2011 veröffentlicht Labelgründer Martin Steer aka Midimúm hier Platten von u. a. Fontarrian, AAAA oder Kalipo. Doch ohne jemanden, der in Sachen Presse und Web die Fäden zieht, würde auch so ein Movement nicht vom Fleck kommen. Dafür zuständig ist bei Antime Kristoffer Cornils aka Konkrit, der nicht nur Full-Time-Musik-Auskenner, sondern auch noch DJ mit Händchen für besondere Mixe quer durch die Genres ist.

Auch sein neuester Mix, der die “Antime Mixtape”-Reihe eröffnet, spannt wieder so mühe- wie lückenlos den Bogen von düsterem Drone über experimentellem Pop und Clicks’n’Cuts-House bis hin zu futuristischen Clubsounds à la M.E.S.H. Er selbst nennt das “post-modernist turntablism for the poorly equipped” und wirbt damit auch für die nächste Antime-Labelnacht in der Urban Spree in Berlin. Dort spielen am Donnerstag, den 17. März, ab 21 Uhr nämlich Fontarrian, Melt Trio und Martin Steer. Vorne und hinten raus sowie immer wieder zwischendurch gibt sich Konkrit an den Decks die Ehre. Und das Beste: Wir verlosen 2×1 Gästelistenplätze! Doch vorab ein paar Fragen von uns an Konkrit rund um seinen neuen Mix, das Label Antime und die Nacht in der Urban Spree.

Kristoffer, wann und wie hast du den Mix aufgenommen?
Am Freitagabend fiel mir auf, dass ich lange keinen Mix mehr gemacht hatte und eigentlich noch etwas Promo für unsere Antime Label Night in der Urban Spree am 17. März machen sollte. Ich habe eine Tracklist zusammengeworfen, den Mix in seiner Rohfassung aufgenommen und am nächsten Vormittag zusammengeschnippelt. Aufgenommen habe ich ihn zuhause auf drei 1210ern und meinem Xone 92. Nee, Spaß: Ich besitze lediglich einen schrottigen USB-Plattenspieler und mein Ableton Live heißt Audacity. Es handelt sich so gesehen um postmodernen Turntablism auf Niedriglohnniveau. Sicherlich nicht mehr zeitgemäß, das zu sagen, aber: Yolo.

Der Mix schlägt eher ruhige, teils sogar melancholische Töne an. Wird es einige der Platten auch am 17. März zu hören geben oder was packst du alles ein?
Dass er ruhig würde, war so gar nicht geplant. Mein Ziel war es vor allem, mit dem musikalischen Material herumzuspielen. Viele der Tracks haben sowieso überraschende Wendungen, bestes Beispiel ist der Song von Jenny Hval & Susanna, wo plötzlich Brutzel-Noise in die getragene Piano-Ballade reingrätscht, bis das Pathos wieder Überhand gewinnt. Solche Effekte habe ich versucht bewusst zu emulieren und dabei zum Teil auf Verfremdung angelegt wie etwa mit den Holly Herndon-Vocal-Schnipseln, die über den S S S S-Track hüpfen. Ich weiß nicht, wie gut mir das immer gelungen ist, denke aber, dass zum Beispiel der wahnsinnige Laurine Frost-Jam durchaus ganz andere Qualitäten bekommt, wenn er entweder mit Woobs Chorälen mehr Tiefe bekommt oder eine japanische Bambusflöte drüberjazzt. Deswegen ist das inoffizielle Motto des Mixes auch der David Foster Wallace-Rede entlehnt, die ˆL_ für The Outsider (kam vor Kurzem über Antime) gesamplet hat: Es müssen wohl irgendwie Hörentscheidungen getroffen werden. Im Grunde aber versammelt der Mix natürlich Tunes, die ich sehr geil finde. Einige von denen werde ich sicherlich am 17. spielen. Wenn mir nach dem Gig aber niemand den Strom abdreht, lege ich vielleicht noch käsiges Rave- und Acid-Zeugs auf. Das Mitbringen von Knicklichtern und Trillerpfeifen ist also bedingt zu empfehlen.

Wie bist du zu Antime gekommen und was zeichnet das Label und die Crew aus?
Ich habe das Label über meine Arbeit als Musikjournalist kennengelernt, namentlich über Fontarrian, der am 17. mit seiner A/V-Show dabei sein wird. Ich habe mir die Promo für sein Debütalbum vlv heruntergeladen, Labelgründer Martin Steer addete mich auf Facebook und hat mir die Platte geschickt, wir trafen uns auf einer Show, ich interviewte ihn für das hhv.de mag und irgendwann fragten Martin und sein Bruder Johann an, ob ich nicht einen Promo-Text schreiben könne. Plötzlich war ich dann ganz dabei.

Es ist schwer zu sagen, was das Label auszeichnet, denn was die Crew auszeichnet, ist eine Affinität für das Offene und Fluide, was, denke ich, Zuschreibungen verunmöglicht. Uns geht es weniger darum, als Label aufzutreten als vielmehr als Plattform oder Netzwerk. Mit unseren Compilations bspw. bringen wir Menschen aus dem Iran, Österreich und Brasilien zusammen, lassen flächigen Ambient auf slammende Acid-Workouts treffen.
Den roten Faden liefert die Einstellung nach: Wir interessieren uns dafür, über tradierte Formen hinauszugehen und das nicht nur im musikalischen Bereich. Johanns Designs sind ein gutes Beispiel dafür. Das Cover unserer vorletzten Compilation beispielsweise war ein aus 20 Einzelartworks (eins pro Track) zusammengesetztes Gif. Wieso auch nicht, die Idee eines fixen Cover-Artworks ist bei einem digitalen Release mittlerweile nicht mehr als ein widersinniger Atavismus: Lässt sich so machen, spannender ist es jedoch, das weiterzudenken.
Wir leben in einer medial wahnsinnig reichhaltigen Zeit und dementsprechend reichhaltig ist auch die Kulturproduktion. Wir versuchen, das zu spiegeln, daran teilzuhaben und das anderen näher zu bringen. Das ist noch etwas, was ich an Antime beziehungsweise Martin und Johann schätze: Es geht denen nicht um Bauchnabelschauen und dahinter steht auch eine gefestigte politische Einstellung, mit der ich mich identifizieren kann. Das ist keinesfalls selbstverständlich, für mich aber unabdingbare Voraussetzung.

Letztlich sind wir wahnsinnig privilegiert, diese Arbeit machen zu können, ohne existentielle finanzielle Ängste zu erleben und möchten sie dafür nutzen, unseren bescheidenen Beitrag zu einer vernetzten internationalen Kultur auf Augenhöhe der Zeit zu leisten. Das ist ein unglaublicher Luxus, für den wir alle sehr dankbar sind und wenn andere Menschen daran teilhaben, ist es umso schöner. Wir verdienen keinen Cent mit dem Label, der Gewinn ist ein ideeller. Jedes noch so verschwindend kleine Quäntchen Support für unsere Arbeit wiegt mehr als eine Platte ausverkauft zu haben.

Was steht sonst so demnächst bei Antime an, kannst du da schon etwas verraten?
Kann ich nicht, weil die Planung bei uns beständig durch unsere anderen Verpflichtungen durchkreuzt wird. Wir haben Ideen für Releases, aber nicht unbedingt die Zeit dafür, alles umzusetzen. Wir werden aber versuchen, mehr Gigs auf die Beine zu stellen, mit anderen Menschen und Gruppen zu kooperieren und uns dabei nicht allein auf Musik konzentrieren. Erstmal aber werden wir am 17. März in der Urban Spree einkehren, mit Fontarrians A/V-Show, dem Melt Trio und Martin Steer. Wir freuen uns drauf und noch mehr auf euch.

Event FB

Wir verlosen 2×1 Gästelistenplätze für die Antime Labelnacht in der Urban Spree am 17. März. Schickt uns einfach bis zum Abend davor eine E-Mail mit dem Betreff “Antime Spree” und hofft auf euer Losglück!

Tracklist

1. Thomas Köner – Tiento De La Luz 5
2. Deaf Center – City
3. S S S S – Tyranny Of Intimacy
4. Holly Herndon – Solo Voice
5. Julia Holter – Goddess Eyes I
6. Maxim Wolzyn – Reconstruction
7. ˆL_ – The Outsider
8. Jenny Hval & Susanna – Black Lake
9. Pink Floyd – The Great Gig In The Sky
10. Woob – Odonna
11. Laurine Frost – Marionette Manifesto
12. Watazumido-Shuso – Rinmon
13. Moin – Clancy
14. Casi Cada Minuto – Intonarumori
15. M.E.S.H. – Imperial Sewers
16. Jessy Lanza – You Never Show Your Love
17. Leyland James Kirby – Don’t Sleep I Am Not (…)