Fragt man Raver und Szeneaktivisten der elektronischen Musik nach den Neunzigern, fallen neben den üblichen Antworten rund um Clubs, Orte, Menschen und gefallene Mauern auch immer das Stichwort Radio. Sendungen wie die hr3 Clubnight, Dancehall und viele weitere prägten den Geschmack ihrer Hörer, dienten als Warm-up fürs Wochenende, waren Begleiter auf langen nächtlichen Autofahrten und machten ihre Moderatoren nicht selten zu Stars. Doch was ist seitdem passiert, welche Rolle spielt das Radio in der Clubkultur im Jahr 2014? Was macht das Radio als Format so besonders? Und wie haben Podcasts, Boiler Room und Webradio unserer Hörgewohnheiten verändert? Diesen und vielen weiteren Fragen rund um das Thema will die kommende, nunmehr dritte Ausgabe von The Amplified Kitchen nachgehen. Dazu treffen sich am Donnerstag, den 20. November mit Monika Dietl, Sven von Thülen, John Osborn und Thaddeus Herrmann im Berliner ://about blank einige Protagonist/innen von damals und heute. Moderiert wird das Ganze von Ji-Hun Kim, anschließend wird zu der Musik von Uta, John Osborn und Finn Johannsen noch getanzt.
Mitveranstaltet wird der Abend von Resom, die für uns ein paar Fragen zu The Amplified Kitchen und dem Thema Radio beantwortete.
Wie oft fand The Amplified Kitchen bis jetzt statt und wie zufrieden seid ihr mit dem bisherigen Feedback?
The Amplified Kitchen findet jetzt im November zum dritten Mal statt. Die erste Veranstaltung gab es im Juli, wo der Film Sounds Queer von Dan Bahl gezeigt wurde und die drei Protagonistinnen den Film zum ersten Mal zusammen gesehen und besprochen haben. Es war herausragend gut besucht, Yukis Essen war total lecker, das Gespräch war nicht nur einvernehmlich und es wurde tatsächlich nachhaltig viel über den Film und die Thematik (female DJ’s und ihre Arbeit als DJ) debattiert.
Die zweite Veranstaltung mit Jürgen Teipel war nicht ganz so gut besucht (es war aber auch echt kalt an dem Abend und Atonal Festival), das hat der Qualität des Gesprächs aber an sich keinen Abbruch getan, sondern für viel Unterhaltung gesorgt.
Mit der dritten Ausgabe schließen wir für dieses Jahr die verstärkte Küche und schauen, was es nächstes Jahr so an Themen zu verkochen gibt.
Gab es Vorbilder oder einen Anstoß zu der Reihe? Und denkst du, dass die Partyszene generell noch viel mehr Reflexions- und Austauschmöglichkeiten zu den Produktions- und Rezeptionsbedingungen elektronischer Musik bräuchte?
Der Anstoß war eigentlich ein sehr kleiner – der Wunsch, sich auch öffentlich mit den Inhalten auseinanderzusetzen, die sonst entweder in der Einsiedelei oder im Backstage oder in der Küche besprochen werden. Es braucht aber öffentliche Räume um genau diese Auseinandersetzung zu stärken. Vorbilder gibt es – Inspiration noch mehr. Das Robert-Johnson-Theorie-Konzept gefiel und gefällt uns sehr. Aber wir wollten etwas anderes als den reinen beziehungsweise nerdigen “Techtalk” wie er zum Beispiel gern bei CDR stattfindet. The Amplified Kitchen versteht sich also quasi als die Küche neben dem Studio.
Berlin ist eine Stadt mit verschiedenen offenen Räumen – je mehr Wunsch zur Auseinandersetzung vorhanden ist, um so größer auch der Wunsch, diesen offenen Raum zu vergrößern – von daher: je mehr Reflexion gewünscht – um so größer wird das Angebot. Ich persönlich vertraue genau darauf.
Gab es einen speziellen Anlass für das Thema Radio oder hattet ihr das schon länger als Wunschthema auf dem Zettel? Die bisherigen Veranstaltungen waren ja unter anderem auch an aktuelle VÖ-Termine etc. gebunden.
Das Thema selbst beschäftigt mich persönlich schon seit sehr langer Zeit. Ich habe über zehn Jahre Radio gemacht habe (bei Radio Blau in Leipzig) und das Medium ist für mich die wichtigste Rezeptionsquelle für neue Musik und war ehrlich gesagt auch ein Grund nach Berlin zu ziehen. Es lag quasi in der Luft – denn so toll ist die Berliner terrestrische Welle dann auch nicht und ich lande doch wieder bei Deutschlandradio Kultur. Wieso das so ist – das möchte ich gern wissen. Wieso ist die Radiolandschaft so gähnend langweilig und alles klingt gleich, die Stimmen, die Musik, die für mich unerträgliche Schrillheit? Warum gibt es in Berlin kein terrestrisch zu empfangendes 24/7 freies Radio? Und dann stellt sich irgendwann automatisch die Frage: Wo sind die großartigen Radiolegenden von früher eigentlich hin? Welche Grundvoraussetzungen zur Entstehung eines modernen Radios braucht es? Und so kam dann das eine zum anderen.
Nach welchen Kriterien habt ihr die Gäste für die Diskussionsrunde ausgewählt?
Für mich persönlich ist die Mischung wichtig gewesen. Monika Dietl hat natürlich eine herausragende Rolle als Radiolegende. Mit Sven von Thülen kommt hoffentlich der Rundumblick damals-heute und die Konsument/innenperspektive ein wenig mehr hervor. John Osborn kann viel aus seiner Zeit mit Twen.FM als alternative Radiostation und ehemaligem Piratensender erzählen und hat auch noch einen besseren Einblick in die Radiolandschaft von Großbritannien, die ich vergleichsweise unglaublich spannend und vielfältig finde. Thaddeus Hermann arbeitet immer noch bei Radio Fritz und Nightflight selbst ist auch ein legendäres Radioformat. Von daher war mir wichtig, zu schauen, was die Hintergründe sind. Das “Neue” kann ja auch vom Publikum kommen. Mit Finn Johannsen und Uta sind noch zwei Berliner DJs dabei, die selbst Sendungen machen.
Wird es einen Radio-Live-Stream der Diskussion geben – unter anderem auch für Leute außerhalb von Berlin?
Daran arbeiten wir gerade. BLN.FM ist interessiert, aber vielleicht packe ich auch einfach meinen uralten MD-Rekorder ans Kabel, so wie wir auch mindestens ein altes Tapedeck benutzen werden.
Inzwischen gibt es einen Mitschnitt der Diskussionsrunde drüben bei Das Filter zu hören.
The Amplified Kitchen pres.: Radio – Medium der Clubkultur?
Donnerstag, 20. November 2014, 20 Uhr
://about blank, Markgrafendamm 24c, 10245 Berlin
Mehr Infos gibt es bei Facebook.
Foto: Owieole