Gute, aber zugleich teure Platten zu finden, das ist heutzutage einfacher denn je. Youtube und diverse DJ-Mixe sind voll damit. Doch das Stöbern nach und Finden von tollen Tracks, die trotzdem wenig kosten, ist immer noch die große Kunst. Und auch Qnete aus Leipzig diggt (neben dem Produzieren) immer noch lieber nach preiswerten Schätzen, als den Discogs-Haien sein Geld hinterherzuwerfen. Schon im Jahr 2017 fragten wir den Produzenten und DJ nach seinen drei neuesten Einkäufen – jetzt gibt’s gleich nochmal fünf weitere. Alle günstig, (fast) alle mit ausgefahrener und suchbereiter Vinyl-Spürnase in den staubigen Regalen von Plattenläden quer durch die USA entdeckt. Danke, Marvin, direkt fünf neue Einträge auf der Wantlist, weil alles echte Hits! Man wird einfach nie fertig, und das ist gut so.
B.B & Q. Band – On The Shelf / Dreamer (In Your Face Records, 1986)
Preis: 2.99$ · Laden: Philadelphia Record Exchange
Zwei Mitte-80er Boogie Tracks der “The Brooklyn, Bronx & Queens Band“ im mittleren Tempobereich. Sie folgen der klassischen Songstruktur, das heißt: es gibt Lyrics! Nicht allzu tiefgründig, aber auch nicht allzu flach. „Everything’s so nice when I’m dreaming“. Ja, stimme zu! Die Instrumentierung ist Mitte-80er-typisch bestehend aus Drum Machines und vielen Synthies, ergänzt durch trockene Gitarrenlicks. Alles in allem genau mein Fall und genau der Grund, warum ich mich auf Plattenläden in den USA gefreut habe.
DD Artis – Move On (Fingazgoal, 2001)
Preis: 2$ · Laden: The Thing, NY
Habe ich während eines ersten Trips nach New York gekauft. Dafür musste ich bestimmt 50 Schrottplatten bei The Thing durchhören. Der Track ist ein ziemlich glatter R’n’B-Track auf ca. 100 BPM. Klingt dadurch ein bisschen so, als wäre er ein Charthit, bloß im Tarnumhang. 2001 war nicht mehr die Zeit des R’n‘B auf 12”-Schallplatten, deshalb ist die Platte relativ rar und ich behaupte, man kann sie unmöglich in Deutschland kaufen! Ein idealer Fund also. Bonus: das Instrumental auf der B-Seite klingt auch auf 45 RPM sehr interessant.
Joanna Law – First Time Ever (Easy Street, 1990)
Preis: 2$ · Laden: The Thing, NY
Das hier war ein paar Wochen lang ein Track, den ich jeden Tag mehrmals gehört habe. Trockene elektronische Produktion, gedämpfte Aufbruchsstimmung, dubbige Bassline, HipHop-Drums, aber ein bisschen schneller, so um die 105 BPM. Joanna Law hat eine Stimme wie Sade, tief und weich. Wieder ein Charthit im Tarnumhang! Inklusive Instrumental-Version und einer straighteren House-Version, die ist aber nicht ganz so spannend. Ich möchte hier wirklich eine sehr eindringliche Empfehlung aussprechen, sich diesen Song einmal zu Ohren zu führen.
Ladie’s Choice – Girl’s Night Out (Streetwise,1983)
Preis: 1$ · Laden: A1 Records, NY (?)
Ich weiß nicht mehr genau, wo ich diese Platte gekauft habe. Dem Zustand nach zu urteilen eher bei The Thing, aber dort kosten eigentlich alle Platten 2$ und nicht 1$ (Pro Tipp: A1 und The Thing haben denselben Besitzer und exakt gleiche Preisetiketten). Besonders zu erwähnen ist bei der “Girls Night Out” die 808 – es gibt sie einfach noch immer, diese Tracks, bei denen man auf die 808 hinweisen muss. 1983 gerade erst zwei Jahre auf dem Markt, hört man frühen Produktionen regelrecht an, wie sehr die 808 im Studio wie ein Gerät von einem anderen Planeten erscheinen musste. Der Track ist sehr luftig und aufgeräumt, das heißt die einzelnen Sounds kommen 100% zur Geltung. Verspielte Melodien, funky Bassline, warme Synthie-Chordstabs und Aliensounds ergänzen die Power Stimme der Ladie’s Choice.
The Sons Of Silence – Spring Forward, Fall Back (Leaf, 1997)
Preis: 1£ · Laden: Discogs
Zufallsfund auf der Suche nach Progressive House bei einem englischen Discogs Seller. Trippy Digidub trifft auf Jazzband, Tribaldrums auf große Geschichten. Vorher vorzuhören gab es nur den Track “Grain Of Sand”. Hier einmal ein Auszug aus den Lyrics: „Take a grain of sand, take a lot of grains of sand, make a brick. […] Take a barbecue, take a lot of barbecues, make a suburb. Take a suburb, take a lot of suburbs, make a city […] Take a universe, take a lof of universes, make a grain of sand.“ Auf einmal macht alles Sinn, aber ich habe mich bloß im Kreis gedreht. Die anderen Tracks reichen von einen quasi Instrumental des Grain Of Sand (mit etwas dunklerer Stimmung) über einen sehr durchdubbten House Track bis hin zu einem waschechten Digital Dub Tunes.
Zuletzt erschien von Qnete unter anderem die “Alone Together” 12-Inch (shtum 018) mit vier Tracks von House bis Techno, aber immer mit Power, zu haben auf Vinyl und digital via Bandcamp. Das Artwork/Fotoidee samt dezent zeitlosem Segway-Swag kommen von Aline von Spotz und Carl-Johannes Schulze. Große Empfehlung unsererseits!
Fotos: Moritz Richter