Dass es zu viele Jahresendlisten gibt: keine Frage. Aber es gibt auch solche, auf die ich nicht verzichten will und für die ich sogar durchaus dankbar bin. So zum Beispiel die von Boomkat aus Manchester, einem der Shops für Musiknerds mit Hang zu Drone, Noise, Ambient, Moderner Klassik, Dubstep und so weiter. Dort bin ich Ende 2011 erstmals auf Vatican Shadow gestoßen, in diesem Jahr war es dann Lee Gamble, der laut Boomkat für das beste Album 2012 verantwortlich zeichnet, von dem ich vorher aber noch nie etwas gehört habe. Erschienen auf PAN, einem Label das für seine Veröffentlichungen in den vergangenen zwölf Monaten ähnlich viele Lorbeeren wie etwa L.I.E.S. einfahren konnte, aber ebenso an meinem Radar vorbeirauschte. Aber dafür gibt es ja Boomkat, um noch mal gegenzuchecken und nachzuhören, was man im letzten Jahr so alles verpasst hat. Und im Fall von Lee Gamble lohnt sich das ganz besonders.
Für sein Album Diversions 1994-1996 schnappte sich Gamble seine alten Jungle-Mixtapes und -Platten und suchte darin nach beatlosen Intro, Interludes und Outros. Diese edierte und collagierte er zu zehn Ambientstücken, die teils durch hintergründige, im Hall verhangene Beats ihre eigentliche Herkunft preisgeben. Ein knappes, aber doch herausstechendes Album. Und der Vinyl-Repress kommt wohl sogar noch in diesem Monat, ihr wisst, was zu tun ist. Übrigens ebenfalls aus 2012: Dutch Tvashar Plumes, das zweite, ebenfalls bei PAN erschienene Album von Gamble, auf dem der Brite wesentlich mehr Beats aber kaum weniger Experimentierfreude zu Tage fördert. Hier das Video zu “M25 Echo” von Diversions 1994-1996:
Doch neben tollen Alben nimmt Lee Gamble auch ebenso gute Mixe auf. Unter anderem für NTS und FACT, wobei er sich bei Letzterem vor allem der kruden, schroffen Geradlinigkeit von Leuten wie STL, Kassem Mosse, Theo Parrish oder D’Marc Cantu widmet. Ganz anders sein Mix für NTS, für den er auf seine Vinylsammlung voll alter Jungle-Tunes zurückgriff, Platten entstaubte und nach Jahren endlich wieder einmal zum Einsatz brachte. Mit einem famosen Ergebnis, das heute noch genauso knallt wie in den Neunzigern. Es gibt eben Musik, die ist und bleibt zeitlos. So wie die von Lee Gamble.