21.02.2016  /  Jan  /  Kategorie: 3 Kurze

Zeit für 3 Kurze! Obwohl es diesmal 2 Kurze und 1 Langer sind, abgeliefert von einem alten und sehr guten Freund aus Jenaer Tagen: Lekande. Mittlerweile hat es den Produzenten, DJ und Mitveranstalter der Lo:topia-Partyreihe nach Leipzig verschlagen, wo er neben seiner Doktorarbeit auch an hypnotisch-taumelnden Tracks bastelt.

Zur nächsten Lo:topia spielt Lekande übrigens Seite an Seite mit Basco und wärmt das Kassablanca in Jena für Clones Haudegen Alden Tyrell vor. Vielleicht laufen an dem Abend auch diese Tracks, die er für unsere Rubrik gediggt hat.

William Basinski – D/P 4 – 2062 (2003)

Basinski begeistert und fasziniert mich mit seinen minimalistischen Ambient-Loops seit 2007. Damals entdeckte ich einige Stücke von ihm und war vor allem von “El Camino Real” vereinnahmt – Ein 50 Minuten laufender Tapeloop, der durch seinen Minimalismus etwas Zeitungebundenes transportiert und durchaus bis ins Unendliche abspielbar wäre, ohne zu langweilen. Allerdings liefe man dann auch Gefahr, jeglichen Bodenkontakt zu verlieren.
Hier möchte ich jedoch ein anderes und vielleicht auch bekannteres Stück von ihm vorstellen: Das wunderschöne und bittersüße “D/P 4” der Disintegration Tape Loops. Die Geschichte zu den Disintegration Loops ist schnell erzählt. Basinski entdeckte bei der Archivierung alter Tonbänder, die er 1982 angefertigt hatte, sechs Stücke, die ihm besonders gefielen. Während des Digitalisierungsprozesses musste er jedoch feststellen, dass sich die Bänder der Aufnahmen durch allerlei Schmutzpartikel immer mehr “auflösten” und am Ende nur noch Fetzen der ursprünglichen Melodien zurückließen. Dieser Verfallsprozess wurde zum ästhetischen Mittel und ist durch die Digitalisierung verewigt.

basinski-dp-loops

Besonders empfehlen möchte ich die in allerhand Galerien uraufgeführte DVD-Variante der Disintegration Loops, bei der zur Musik noch Aufnahmen vom brennenden World Trade Center zu sehen sind. Diese Kombination von Ton und Bild erzeugt ein hypnotisch aufwühlendes Erlebnis. Basinski blickte am 11. September 2001 von seinem Dach in Brooklyn auf die brennenden Twin Towers und sagte später in einem Interview anlässlich der DVD-Veröffentlichung: “Wir saßen auf Gartenstühlen auf der Dachterrasse und sahen, wie das Feuer die ganze Nacht hindurch bis in den frühen Morgen loderte, während im Hintergrund die Disintegration Loops liefen. Das menschliche Ausmaß der Katastrophe konnten wir damals nicht einmal ansatzweise erahnen. Das kam alles später, zusammen mit den Tränen und dem Schmerz. Da war es, das ‘Ende der Welt’, von dem wir wussten, dass es früher oder später kommen würde: Wir hatten es vergessen, doch mit einem Schlag war es zurück in den Köpfen. In den folgenden Tagen und Wochen sah ich, wie meine Freunde und ich in unseren persönlichen Schlaufen aus Angst und Terror zerfielen – jeder auf seine eigene Art und Weise, mit seinen eigenen Worten, zu seiner eigenen Zeit. Ein nicht enden wollender Albtraum. Ein Weckruf, den niemand bestellt hatte. Die Herzen der Menschen waren gebrochen, und mit einem Mal verschwanden der Egoismus, die Arroganz, die Hässlichkeit. Was blieb, waren aufrichtiges Mitgefühl, Güte und Liebe füreinander – das, was Menschen aus uns macht. Das Ende einer Ära: ein neuer Anfang.”

Tim Hecker – Where Shadows Make Shadows – Kranky (2009)

Tim Hecker – Ausnahmemusiker und Ausnahmezustand. Letzterer vor allem bei “Where Shadows Make Shadows”. Entrückung im Lichtdunkel. Eines der intensivsten Stücke Heckers. Nach acht Minuten taumelt oder gleitet man zurück in den Alltag. Je nach individueller Verfassung. Ich sah ihn einmal live im verdunkelten UT Connewitz. Alle Lichter aus. Imagination an. Ein Rückwurf auf sich selbst.

STL – Lost In Brown Eyes – Perlon (2008)

Immer wenn ich mich mit Sascha alias Basco über STL unterhalte, warte ich auf den Satz: Haste eine, haste alle. Mag durchaus treffend sein, doch spricht das ebenso für die Qualität und die individuelle Note aller STL-Tracks. Ich freue mich stets auf ein Neues, wenn ich neben allerhand funktionaler Club-Tracks auf dem Dancefloor sofort einen Track aufgrund der für den Künstler spezifischen Soundästhetik erkenne.


Lekande Lekande ist ein alter Freund des Hauses und als begnadeter DJ (und Produzent) zudem Resident und Mitveranstalter von Lo:topia im Kassablanca Jena. Wenn er nicht gerade an seiner Doktorarbeit sitzt, baut er Tracks und loopt sich in die Unendlichkeit. Am 26. Februar spielt er back-to-back mit Basco das Warm-up für Alden Tyrell (live) und das Row Soundsystem.