Seit Anfang des Sommers darf mich mein eigenes kleines Event “Lucid Dreams” im Klunkerkranich hosten – nächstes Mal übrigens am kommenden Montag – und maßgeblich zu verdanken hab ich das Buzz Boris: Er ist Booker vom Klunkerkranich und ansonsten auch DJ und Jounralist. Gelegentlich tauschen wir Musikempfehlungen aus und ich schätze seinen super vielseitigen Geschmack sehr. Ein idealer Kandidat also für Drei Kurze! Den Fokus hat er auf spätsommerliche Disco-Tracks gelegt. Empfohlen sei da direkt auch Buzz Boris’ nächster DJ-Gig bei der 5 Jahre Too Slow To Disco Summer Party am Samstag, 24. August im Festsaal Kreuzberg als Teil des DJ-Duos Schall & Hauch, das er zusammen mit Walter Marinelli macht. Darüber hinaus gibt’s noch andere Aliasse und Projekte – dazu mehr am Ende des Artikels.
Letta Mbulu – Nomalizo (Munjale, 1983)
„Nomalizo“ ist einer dieser sanften Seelenschmeichler, der in fast jedem meiner Sets auftaucht und immer die wahre Währung aller Selektorinnen und Selektoren generiert: Ein mitschwoofendes Publikum- egal ob sitzend, stehend oder tanzend. Ein Fingerschnippen, ein angedeuteter Hüftschwung, ein Lächeln, das den fröhlichen und zurückgelehnten Vibe perfekt einfängt.
Obwohl Letta Mbulu mit Größen wie Quincy Jones und Michael Jackson zusammen gearbeitet hat, fliegt sie ein wenig unter dem Radar – trotz einer sehr interessanten, persönlichen Geschichte. Die Südafrikanerin Letta Mbulu, vor der Apartheid geflohen, lebt seit den 60ern im US-amerikanischen Exil und beschreibt in Nomalizo den Weg vieler junger Frauen, die es seit Jahrzehnten aus Dörfern in den urbanen Dschungel zieht:
„Came chasing her dream up
Where many had walked before
Fallen hopes, faded dreams
Somebody just shut the door
Shut the door in their face
In the golden city
Where life is tricky, tricky, yeah yeah“
Die ewig währende Zirkel aus (enttäuschter) Sehnsucht, (unerfüllten) Träumen und (neuer) Hoffnung. Immer eine gute Grundlage für große Popsongs – wie „Nomalizo“.
Nohelani Cypriano – Lihue (HanaOla Records, 1977)
Wahrscheinlich würden sich alle DJs, die sich den smoothen Disco-Sounds verschrieben haben, gerne per Zeitmaschine in die zweite Hälfte der Siebziger katapultieren, um die Hochphase der Disco in ihrer vollen Blüte zu sehen. Und nach Hawaii, in die Heimat von Nohelani Cypriano sowieso.
Zugegeben: Ist schon ziemlich cheesy dieses „Lihue“. Zwitschernde Vögelchen, der Text ein lyrischer Schmachtfetzen, aber eben auch: Eine geradezu irrwitzig mäandernde Bassline, wunderbare Synthies und Drums, die sehr ausgecheckt und abwechslungsreich rüberkommen. Nohelanis samtener Gesang als Schlagobers – perfekt ist die pazifische Spätsommer-Hymne. So sweet, so fresh.
Was die ganze Sache abrundet, ist der Fakt, dass Nohelani Cypriano auch 2019 noch jeden Donnerstag und Freitag im „Hilton Hawaiian Village“ in Honolulu auftritt. Manchmal braucht es also nicht mal eine Zeitmaschine, um durch die Epochen zu reisen, es reicht schon ein emissionsfreies Segelboot!
Amadou & Mariam – Filaou Bessame (Because Music, 2017)
Angeblich hat Frank Zappa mal (nicht) gesagt: „Über Musik zu schreiben ist wie zu Architektur zu tanzen“ und das stimmt, was aber nicht heißt, dass man es nicht tun sollte. Dein Mahagoni-Schreibtisch hat deinen Hüftschwung einfach verdient!
Es gibt jedenfalls Songs, die bringen mich zum Schweben. „Filaou Besame“ gehört definitiv dazu. Schwer zu beschreiben, was „Filaou Besame“ bei mir auslöst, aber mit rechten Dingen geht es nicht zu. Das blinde Musiker-Paar aus Mali deutet Polyrhythmik an, perfektioniert das eigene Songwriting mit einem absolut fantastischen Arrangement und Spannungskurve und macht auch ansonsten alles richtig. Dieser Song funktioniert einfach immer, vor allem auch in DJ Sets und spätestens hier fängt es an geheimnisvoll zu werden: Klar ist das catchy, klar ist das poppig, aber eben auch komplex, überbordernd und zwischendurch ganz still. Ein Spannungsbogen zum verlieben und nicht unbedingt typisches Hitmaterial!
Amadou und Mariam haben sich in den 70ern am “Institute for the Young Blind of Mali” in ihrer Heimat Mali kennengelernt. Während sie in Westafrika schon lange Star-Status haben, hat der Westen erst vergleichsweise spät nachgezogen: 2004 produzierte Manu Chao ein Album der beiden, Herbert Grönemeyer produzierte mit Amadou & Mariam die offizielle WM 2006-Hymne „Zeit, dass sich was dreht“ (die selbstredend furchtbar ist), im Juni 2010 spielten die Malier bei der Eröffnungsfeier der Fußball-WM in Südafrika.
Auf ihrer 2017er Platte kehren Amadou & Mariam zurück zur Kernkompetenz: Eine Fusion von Afrobeat, Folk, Pop, Blues mit einem Akzent auf tanzbare Disco-beeinflusste Nummern, sowie einer Menge Groove. Und mit „Filaou Besame“ ist ein für mich absoluter Keytrack drauf.
Julian Zwingel aka Buzz Boris ist Booker im Klunkerkranich und hat für die Blogrebellen geschrieben. Unter dem Pseudonym B.Raven legt er Downtempo und Slowhouse auf, als Das Weiße Rauschen spielt er Jazz bis Afrobeat und als Spaß-Projekt für Hochzeiten etc. gibt’s DJ Mausebär. Neben dem schon erwähnten DJ-Duo Schall&Hauch ist er außerdem Teil von The Carlson Two. Man kann ihm auf Facebook und Soundcloud folgen.